Das Böse lauert im Licht
Eine Kurzgeschichte
In dieser Nacht trat sie wieder aus ihrem Körper heraus, die Welt verwandelte sich in eine ihrer Strickzeichnungen, eine der verbotenen Strichzeichnung am Ende der Kladde.
Gesichtslos
Gesichtslos, in den schwarz weißen Strichzeichnungen, die das Mädchen in eine alte Kladde zeichnete, hatten weder die Erwachsenen noch die Kinder Gesichter. Nur die Geister, die im Schatten der Pflanzen und Bäume lebten, und die Pflanzen und Bäume selber schienen in diesen Zeichnungen real zu sein. Alles andere blieb leer und verschwamm im weiß.
Das Mädchen war vielleicht 10 Jahre alt und sie war nicht besonders groß für ihr Alter. Sie wirkte in ihrer unauffälligen Kleidung im Halbdunkel unter den alten Bäumen abseits der anderen Kinder, die mitten auf dem Spielplatz im Sonnenlicht spielten, fast wie eine menschliche Begleiterin der Geisterwesen, aus ihren Zeichnungen. Jedes mal wenn einige der Kinder sich durch Zufall näherten und der Lärm das Mädchen streifte, zuckte sie leicht zusammen, straffte sich dann und blickte wachsam zu ihnen hinüber, bis sie sich wieder entfernten und sie sich entspannte.
Nachdem sie die Kladde bei Seite gelegt hatte, beugte sie sich zur Erde um einer kleinen Spinne, die in einen Sandhaufen geraten war, zu helfen. Vorsichtig ließ sie sie auf ihre Hand klettern und setzte sie auf das Blatt eines herabhängenden Zweiges. Dann hockte sie sich zwischen einige große Büsche. Sorgsam grub das Mädchen nun mit dem abgebrochenen Teil eines alten Astes Pflanzensprösslinge aus, die im Dunkel unter den Büschen gewachsen waren und hier keine Chance hatten größer zu werden, um sie im Halbschatten zwischen den Büschen wieder einzupflanzen. Mit ihren Händen schöpfte sie zwischendurch immer wieder Wasser aus einer alten Pfütze, die sich neben einer Sitzbank gebildet hatte, um die Erde unter den kleinen grünen Trieben zu befeuchten. Sie wusste nicht, was dies für Pflanzen waren, es war ihr auch nicht wichtig. Die meiste Zeit war sie so damit beschäftigt, dass sie ihre Umgebung kaum wahrnahm, solange der Lärm sich nicht zu sehr näherte.
Für Alle, die sich im Sonnenlicht bewegten, war das Mädchen nur undeutlich im Dunkel der Schatten zu sehen. Für das Mädchen war dies genau umgekehrt, nur die Dinge im Schatten waren klar zu erkennen, alles andere verschwamm im gleißenden Tageslicht.
"Das ist verboten." Die Stimme ließ das Mädchen zusammen zucken. Sie hatte die beiden Kinder, die nun vor ihr standen, aus irgendeinem Grund vorher nicht bemerkt. Vielleicht waren sie aus der abgewandten Richtung, der Richtung in der die Wiese lag auf der die Schaukel stand, gekommen. "Du darfst hier nicht graben, nur im Sandkasten." Ein Junge und ein Mädchen, nur das Mädchen sprach, der Jungen hatte seine Arme in die Seiten gestemmt und starrte sie streng an. Sie waren jünger als sie und doch wich sie vor ihnen zurück. Der Junge trampelte einen der jungen Triebe nieder, doch als sie ihn ansah, traute er sich nicht, weitere platt zu treten, schließlich war sie älter als er. Doch sie sagte nichts.
Auf einmal trat ein erwachsener Mann zu ihnen hinzu. Sein Halbschuh zertrat drei weitere der Pflänzchen. "Die Dame ist sich zu fein um mit den anderen Kindern zu spielen." Das schweigende Mädchen schien ihn zu kennen, sie senkte den Blick. Der Mann griff sie beim Arm und zog sie mit sich fort. Die beiden anderen Kinder starrten ihr nach. Der Junge zertrat nun auch noch die übrig gebliebenen Sprösslinge.
Kurz bevor sie den Spielplatz verließen tauschte der Mann noch einige Belanglosigkeiten mit einer Mutter aus, die ihre Kinder im Sandkasten im Auge behielt. Die Frau blickte auf: "Man muss immer acht geben auf die Kleinen."
Der Mann nickte. Er wollte dem Mädchen über den Kopf streicheln, doch sie wich aus und ließ sich nicht anfassen. Er lächelte die Frau an: "Und dabei wissen sie das nicht einmal zu schätzen."
Die Mutter seufzte: "So ist es, und überall lauern Gefahren. Ich habe immer Angst, das irgendein Perverser im Dunkel im Gebüsch sitzt."
"Und die Politiker kümmern sich um nichts."
"Und die Fremden, natürlich gibt es auch nette, aber ... . Alles bleibt an uns hängen."
Der Blick des Mannes ging jetzt durch das Mädchen hindurch. "Ein bisschen Dankbarkeit ist doch das wenigste, was man erwarten sollte." Mit diesem letzten Satz verabschiedete sich der Mann und zog das Mädchen mit sich. Die Frau nickte nochmal zum Abschied, sah aber bereits wieder zu ihren Kindern hinüber.
Das Mädchen weigerte sich ihn Vater zu nennen, obwohl er die einzige Person darstellte, die ihr geblieben war. Sie hatte niemanden.
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Zu Hause in der Wohnung musste sie dem Mann etwas kochen. Dann legte er sich auf sein Bett. Zum Glück schlief er bald ein. Als es Nacht wurde verkroch sie sich unter dem schweren Sofa in der Ecke. Hier weit hinten im Dunkeln fühlte sie sich sicher. Die alte Kladde hatte sie bei sich.
Dies waren die Ferien des Mädchens.
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Einige Tage später war das Mädchen wieder auf dem Spielplatz. Sie sammelte kleine Spinnen, Raupen und eine Schnecke ein, die sich zu weit aus dem Schatten der Büsche und Bäume gewagt hatten, um sie zurück in die Sicherheit des kühlen Dunkels unter dem Grün zu bringen, als auf einmal ein älteres Mädchen mitten vor ihr stand. Sie wollte ausweichen, doch irgendetwas am Aussehen des älteren Mädchens ließ sie zögern. Das Mädchen war vielleicht fünfzehn Jahre alt und hatte lange schwarze Haare. Sie wirkte selbst wie ein Schattenwesen aus dem Dunkel des Gebüsches. Das schwarzhaarige Mädchen blickte sie an: "Ich bin Kuraiko Nishizawa, wie ist Dein Name?"
Statt zu antworten setzte sie sich auf die Erde und fing an das ältere Mädchen zu zeichnen.
Die Ältere setzte sich ebenfalls: "Wieso zeichnest du?"
Doch das Mädchen schwieg weiter, nur ihr Stift glitt über das Papier. Eine Weile saßen sie sich still gegenüber, selbst die Geräusche vom Spielplatz traten in den Hintergrund. Nach einer Weile hatte das Mädchen die Zeichnung fertig. Sie zeigte der Älteren ihre Kladde. Die nahm sie in die Hand und blätterte einige Seiten um: "Wieso bin ich die einzig mit Gesicht? Wieso habe die Erwachsenen und auch die Kinder keine Gesichter? Nur die Geister haben bei dir Gesichter und ich."
"Nur die im Dunkel und im Schatten sind sichtbar. In der Helligkeit verschwimmt alles. Die im Licht sehen alle gleich aus, sie haben keine Gesichter. Nur immer das gleiche sinnlose Lächeln." Das Mädchen blickte hinüber zum Mann, der auf einer Bank in der Sonne die Zeitung durchblätterte. "Das Böse lauert im Licht."
Das große Mädchen nickte. "Ich weiß, deshalb sieht es niemand." Sie blätterte weiter nach hinten.
Die Jüngere versuchte das zu verhindern. "Das darfst du dir nicht anschauen."
Doch es war schon zu spät. Das schwarzhaarige Mädchen wurde noch bleicher, als sie ohnehin schon gewirkt hatte. Sie schluckte. Ihr Blick wirkte mit einmal kalt, fast unnahbar. Dann gab sie der Jüngeren die Kladde zurück und stand auf. "Ich komme wieder." Mit diesem letzten Satz war sie auf einmal verschwunden, so unerwartet, wie sie aufgetaucht war.
Drei Tage darauf, als das Mädchen wieder zwischen den Büschen am Rande des Spielplatzes saß und zeichnete war auch das ältere Mädchen auf einmal wieder da. Sie blickte ihr im Halbdunkel über die Schulter. "Willst Du etwas spielen?" Das Mädchen nickte. Das ältere Mädchen hatte Stoffreste und kleine Holzkugeln mitgebracht aus denen sie kleine Puppen mit wehendem Kleid herstellten, die sie in die Bäume hingen. Die Ältere zeigte Ihr, was sie tun musste: "Du musst nur ein Stück Stoff rund zurecht schneiden und von der Mitte aus um die Kugel schlagen. Dann bindest Du mit einem Faden den Stoff zusammen, so das die Kugel in Stoff gehüllt ist. Die Kugel ist der Kopf. Nun musst Du ihr nur noch ein Gesicht malen." Die Gesichter sahen ganz unterschiedlich aus. Das jüngere Mädchen lächelte, nur eine Puppe erschreckte sie.
Das größere Mädchen, das ihr Erschrecken bemerkt hatte, nahm ihr die Puppe aus der Hand und betrachtete sie. "Sie sieht aus wie der Mann."
Das jüngere Mädchen nickte bleich. Die Größere zerschnitt die Puppe mit der Schere und warf sie in den Mülleimer neben der Bank. Noch einmal drehte sie sich zu dem Mädchen um: "Wir sehen uns." Und schon war sie wieder verschwunden.
Das Mädchen sah sich verloren nach ihr um. Plötzlich stand der Mann neben ihr, misstrauisch sah er ins Dunkel zwischen den Bäumen und Büschen. "War da jemand?"
"Nein." Sie schüttelte den Kopf und sah zu Boden.
Bisher hatte sie gedacht, dass die anderen das schwarzhaarige Mädchen nicht sahen, dass nur sie es sah. Zumindest hatten alle sie ignoriert. Doch irgendetwas schien der Mann wahrgenommen zu haben, er zog sie mit sich: "Lass dich nicht von Fremden ansprechen, dass ist gefährlich."
Auf dem Rückweg wirkte der Mann böse und doch fragte er nicht nochmal nach dem älteren Mädchen. Sie war sich jetzt sicher, dass auch er sie nicht wahrnehmen konnte und doch hatte er etwas bemerkt. Er zerrte an ihrem Arm: "Sei froh, dass ich mich um dich kümmere. Es gibt so viele Kranke, die Kinder nur benutzen."
Sie sah den Mann nicht an. Sie wusste, dass es in dieser Stimmung gefährlich war, seine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Sie versuchte ganz unsichtbar zu werden. Doch es half nichts.
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Zuhause kochte sie für ihn sein Lieblingsessen um ihn zu beruhigen. Vielleicht schlief er wieder nach dem Essen ein. Doch diesmal hatte sie kein Glück. Bevor sie ausweichen konnte griff er nach ihr. "Du schläfst bei mir." Er ließ ihr keine Chance das Dunkel unter dem Sofa zu erreichen. Er zerrte sie ins Schlafzimmer. Sie kannte das schon und wusste was kommen würde und zog sich zusammen, doch er schleifte sie einfach mit sich. "Ich bin der einzige, der sich um dich kümmert, glaubst du irgendwer anders will eine wie dich haben."
Morgen würde sie wieder Geschenke erhalten von ihm.
In dieser Nacht trat sie wieder aus ihrem Körper heraus, die Welt verwandelte sich in eine ihrer Strickzeichnungen, eine der verbotenen Strichzeichnung am Ende der Kladde. Nichts war mehr real, nichts konnte ihr etwas tun. Und doch schrie der kleine Strich, der sie war auf, als der Mann, der große Strich ihr die Unterkleidung weg riss. Sie hatte es einfach nicht unterdrücken können, obwohl der Mann dann noch böser wurde, und sie wusste, dass es nichts nutzte, die Nachbarn klopften höchstens gegen die Wand und brüllten 'Ruhe'. So war es auch diesmal. Der Mann hielt ihr den Mund zu bevor er weiter machte.
Später verkroch sie sich wieder unter dem Sofa. Am Morgen duschte und schrubbte sie sich bis ihre Haut wund war und doch stank sie immer noch nach der letzten Nacht. Sie fühlte sich elend. Sie rieb sich mit einer Zitrone ab, das brannte aber dadurch wurde es besser. Dann setzte sie sich nach Draußen, noch schlief er. Manchmal träumte sie davon, einfach wegzulaufen. Doch wohin und er würde sie finden.
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Am folgenden Tag saß sie wie gelähmt im Dunkel der Bäume hinter der Bank am Spielplatz, nichts wollte ihr gelingen, selbst der Zeichenstift erschien ihr schwer und unbeweglich. Sie saß nur schweigend da, bis die Berührung einer Hand sie hochschrecken ließ. Es war das schwarzhaarige Mädchen. Die Ältere betrachtete sie eine ganze Weile ohne zu reden. Dann holte sie ein schmales längliches Päckchen unter ihrer Bekleidung hervor: "Ein Geschenk für dich."
Die Jüngere sah misstrauisch zu ihr auf: "Wieso?"
Doch die Ältere antwortete nicht auf die Frage, sie drückte ihr einfach das Päckchen in die Hand: "Pass auf, dass er es nicht sieht. Und packe es erst zu Hause aus."
Und schon war sie wieder verschwunden.
Das Mädchen saß den ganzen Tag schweigend im Dunkel der Bäume ohne sich zu rühren, erst als es Zeit wurde nach Hause zu gehen, 'nach Hause', ins Haus des Mannes, bewegte sie sich und folgte ihm. Das Päckchen war nicht zu sehen. Sie hatte schon lange gelernt unauffällig Dinge zu verbergen.
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Diese Nacht verbrachte sie wieder unter dem Sofa. Noch weiter hinten in der Ecke. Nachdem sie sicher war, dass er schlief, öffnete sie im Dunkel das Päckchen. Ihre Finger erspürten etwas Flaches, dann spürte sie einen leichten Schmerz. Sie hatte sich geschnitten, Blut tropfte. Sie spürte die warme Flüssigkeit. Es war ein Messer, scharf wie eine Rasierklinge. Sie musste nicht einmal überlegen, sie wusste, was zu tun war. Sie kroch unter dem Sofa hervor und schlüpfte lautlos in das Schlafzimmer des Mannes. Sie wusste, wo sie den Schnitt ansetzen musste. Sie hatte im Fernsehen gesehen, wie man Rehe schächtete nach der Jagd, um sie ausbluten zu lassen.
Wieder verwandelte sich die Welt in eine Welt der Strichzeichnungen. Der kleine Strich näherte sich langsam dem großen schlafendem Strich, immer darauf achtend ihn nicht zu wecken. Sie schnitt an seiner Kehle längs, dort wo die Ader war, aber es kam nur wenig Blut. Nicht tief genug. Endlich kam etwas mehr Blut, aber nicht viel mehr. Und der große Strich wachte auf. Blitzschnell sprang sie zur Seite und lief zurück in das andere Zimmer und verschwand unter dem Sofa. Ihr Körper war kalt und wie gelähmt. Sie hörte den Mann fluchen.
Dann kam der Mann in das Zimmer, er schrie und wankte auf das Sofa zu. Seine Flüche galten ihr. "Du kleine Zecke, dass wirst du büßen. Undankbare Göre. Jetzt ist Schluss mit Nachsicht." Sie spürte nun ihren eigenen Körper nicht mehr, so kalt war ihr, sie hatte sich ganz unter dem Sofa verkrochen und krallte sich in die Metallfedern an der Unterseite, damit er sie nicht darunter hervorziehen konnte. Sie war auf sich gestellt, die Nachbarn würden ihr nicht helfen. Die Nachbarn interessierte das Schreien nicht, sie hatte früher häufig geheult und geschrien und nie war jemand gekommen. Heute entglitt ihr nur noch selten ein Ton, nur manchmal ein kurzer Aufschrei, wie letzte Nacht. Der Mann stand nun vor dem Sofa und versuchte es anzuheben, doch auf einmal erstickte sein Fluchen in einem seltsamen Gurgeln, seine Bewegungen wirkten nun unkoordiniert. Blut, immer mehr Blut strömte auf den Fußboden und dann sackte der Mann zusammen und fiel um. Er zuckte noch kurz, dann rührte er sich nicht mehr. Der Schnitt war wohl aufgebrochen durch die Anstrengung.
Sie blieb einfach unter dem Sofa liegen, bis es Morgen wurde und sie sicher war, dass er sie nicht nur täuschte. Dann kroch sie an der Außenkannte unter dem Sofa hervor, möglichst weit entfernt vom Mann.
Im Spiegelbild sah sie, dass ihre Kleidung und sie selbst voll Blut war. Eine inzwischen angetrocknete Blutlache zog sich auch vom Bett des Mannes hinüber zu seiner Leiche. In der Morgensonne leuchtete es in dunklem schmutzigen Rot. Sie zog das Bett ab und begann mit der Wäsche, dann putzte sie den Fußboden in beiden Zimmer gründlich, auch die Möbel wurden abgewischt, nur den Mann vermied sie zu berühren. Das Putzen war ihre Aufgabe und sie hatte sie immer erfüllt. Zum Schluss warf sie auch ihre Kleidung in die Waschmaschine und duschte sich, wieder schrubbte sie ihre Haut, bis sie fast herunterkam. Nachdem sie die Wäsche zum Trocknen auf dem Balkon aufgehängt hatte, war sie mit allem fertig. Die Wohnung sah nun ordentlich aus, wie lange nicht mehr. Alles war gut.
Sie verließ die Wohnung, zog die Tür hinter sich zu und schloss zweimal um, den Schlüssel warf sie in den Briefkasten. Sie würde nicht mehr zurückkommen. Das einzige, was sie mitnahm waren ihre Kladde und die Stifte.
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Die Morgensonne blendete sie leicht, als sie zum Spielplatz ging. Das Messer, dass sie die ganze Zeit bei sich getragen hatte, warf sie unterwegs in eine Mülltonne. Dann setzte sie sich zwischen die Büsche auf den Spielplatz und wartete. Sie wusste nicht, ob das ältere Mädchen wirklich kommen würde. Zu oft war sie verlassen worden und sie spürte nun Hunger, da sie nicht gefrühstückt hatte. In der Wohnung hatte sie nicht frühstücken können, es war ihr einfach nicht möglich gewesen. Gerade als sie aufgeben wollte, trat das schwarzhaarige Mädchen aus dem Dunkel auf sie zu. Die Jüngere blickte vorwurfsvoll auf: "Ich habe auf dich gewartet."
Die Ältere nahm sie zögernd bei der Hand: "Ich weiß." Dann wandte sie ihr Gesicht dem Licht zu, bevor sie sich wieder dem Mädchen zuwandte: "Konntest du mit dem Geschenk etwas anfangen?"
Das jüngere Mädchen blickte unsicher zu Boden: "Ich habe es weggeworfen, es war schmutzig."
Die Andere blickte sie immer noch an: "Wird der Mann noch kommen?"
"Nein."
"Dann brauchst du das Messer ja auch nicht mehr. Dann ist es gut, komm."
Das große Mädchen zog das kleine Mädchen weiter ins Dunkel des Gebüsches, sie durchschritten eine Art von Ästen verdeckten schwarzen Gang, immer weiter, immer dunkler wurde es. Sie waren Stunden so unterwegs, bis sie in einem Wald aus dem Schwarz heraus traten. Ein dunkles grünes Licht und hohe Bäume umgaben sie, im Halbschatten einer Lichtung stand ein kleines altes Haus auf schattigen Grund. Im Haus gab es Brot, Marmelade und Milch. Sie setzten sich und aßen.
Die Ältere reichte ihr noch Brot: "Du kannst hier bleiben."
Als das Mädchen später Draußen am Rand der Lichtung im Schatten der großen Bäume saß und zeichnete brachte ihr das große Mädchen Stifte. Zuerst legte das jüngere Mädchen sie einfach bei Seite und beachtete sie nicht. Sie waren nicht schwarz, was sollte sie mit ihnen? Sie zeichnete Geister und Pflanzen. Doch als das ältere Mädchen wieder einmal schaute, hatte sich das Grün zwischen die schwarzen Striche geschlichen. Nur grün, keine andere Farbe. Das große Mädchen zuckte mit den Schultern. Grün war ein Anfang und grüne Blüten wirkten interessant. Das schwarzhaarige Mädchen sah die Jüngere nicht an, als sie sie ansprach, sie wollte ihr nicht zu nahe treten: "Wie heißt Du?"
"Yuki Kurosaki."
FIN
Light Novel & kurze Texte – Tuja
Erstausgabe 2017
Spiegelung & Verbreitung der Texte sind ausdrücklich gewünscht
Anarchistische Texte für das 21. Jahrhundert
HerausgeberInnengemeinschaft
Paula & Karla Irrliche
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Zuletzt aktualisiert 01.01.2017
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