Nachhaltigkeit und westliche Weiße,
die den schwarzen Kindern, Jugendlichen und Frauen helfen,
damit sie wieder lachen können
Jörg Djuren / Ute Finkeldey
Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung mit Sitz in Hannover hat sich in der kurzen Zeit nach ihrer Gründung zu einer der im Bereich der Bevölkerungspolitik publizitätsträchtigsten Organisationen entwickelt. Um diese erfolgreiche Öffentlichkeitspolitik soll es Im folgenden gehen. Eine Politik, die anknüpft an das Neusprech eines weichgespülten Konservatismus à la Geißler, Süßmuth und Töpfer und die Nachhaltigkeitsideologie.
Eine Einschätzung der von der DSW geförderten Projekte war uns nicht möglich, da uns Informationen darüber von unabhängiger Seite nicht zugänglich waren. Wir halten diese Projekte aber auch für zweitrangig hinsichtlich der Beurteilung der Arbeit der DSW. Die primäre Tätigkeit der DSW ist die Vermittlung spezifischer Ideologeme über Bevölkerungswachstum, eine Politik der Angst, die anknüpft sowohl an das Bild der Bevölkerungsbombe und ökologische Katastrophenszenarien als auch an die rassistischen Stereotype von Überfremdung der BRD. Für ihre Informationsarbeit gibt die DSW ca. 1/3 mehr aus als für die Projektförderung.
Zum Teil muß sich die Linke in der BRD an die eigene Nase fassen, sie hat durch ihre Politik nicht wenig dazu beigetragen, daß das Hausieren mit der Apokalypse allgemein politikfähig geworden ist. Eine Apokalypse erfordert aber sofortiges Handeln, sie läßt keinen Raum für das Begreifen struktureller Gewaltverhältnisse, oder gar für politische Utopien. Die Zeit der Apokalypse ist die Zeit des protestantischen Unternehmertums, des Millionärs der heute seine Frau die Teller waschen läßt. Und so ließe sich denn die Geschichte der DSW auch als ein Märchen erzählen.
'Es war einmal in Hannover ..
im Dezember 1991, da überlegte ein großherziger Unternehmer, Erhard Schreiber, etwas zu tun gegen die Geißel der Menschheit, und so gründete er die DSW (Das ist nicht das Deutsche Student(Inn?)en Werk sondern die deutsche Stiftung Weltbevölkerung). Wagemutige MitstreiterInnen fand er in anderen guten Menschen, ehemals erstrangigen PolitikerInnen (Geißler, Süßmuth), wichtigen Wissenschaftlern (Prof. Dr. Udo E. Simonis, Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker), und Tagesschauprominenz (Rolf Seelmann-Eggebert, Sabine Christiansen), die immer gerne ihren Namen und ihr Foto gedruckt sehen. Auch ein großherziger Drogeriebesitzer (mit einem Umsatz von einigen 100 Millionen), Dirk Rossmann, schloß sich ihnen an. Ein professionelles Marketingteam wurde zusammengestellt um nun auch denjenigen, denen Greenpeace noch zu revolutionär ist, eine Möglichkeit zu eröffnen sich ein gutes Gewissen zu kaufen. Wer sieht nicht gerne schwarze Kinder lachen. Und wichtig möchten ja auch alle sein. so ließen sie sich denn mit allen wichtigen Leuten fotografieren, Shakehands beim Bundespräsidenten, Shakehands bei der UNO, Shakehands beim Ministerpräsidenten, .. .
So weit so schlecht, an sich könnte hier die Geschichte ihr Ende finden. Eine weitere reaktionäre Stiftung, die konservative Politik lobbyiert und Schluß. So einfach ist es aber nicht. Die DSW arbeitet nicht mit dem biederen Image der Deutschen Bank, sondern mit modernstem Outfit. Die Stiftung verkauft sich als modern, global denkend, lokal handelnd, emanzipativ, Graswurzelinitiativen unterstützend (Vielleicht sollte die graswurzelrevolution Hannover auch mal einen Antrag stellen?), und natürlich nachhaltig. Klaus Töpfer als ehemaliger Umweltminister ist nicht nur ein Freund der DSW, er scheint auch in einer Reihe von Punkten ihr politisches Vorbild zu sein. Vor allem in der Form zentrale strukturelle Probleme durch Aktionismus zu überdecken.
Mit der Vorhand bezuschusse ich irgendwo am Deich ein Windkraftrad mit10% wobei ich gleichzeitig mit dem Arsch der Atomlobby zum Durchbruch verhelfe. Das ganze verkaufe ich dann als notwendigen Pragmatismus der sich gegen rechte Starrköpfigkeit und linken Dogmatismus durchsetzen muß.
Ein Aktionismus der sich dabei auf kleine Projekte richtet, die für sich durchaus Sinn machen können, dabei aber die grundsätzlichen Hintergründe, soweit es sich um kapitalistische Herrschaftsverhältnisse handelt, ausblendet. Die unkritische Zusammenarbeit der DSW mit der Weltbank, die nach wie vor in vielen Ländern eine Verarmungspolitik betreibt, in dem sie über das Druckmittel der Verschuldung eine neoliberalistische Wirtschaftspolitik erzwingt. ist nur ein Beispiel, das auf die doppelte Botschaft dieser Art von Aktionismus hinweist. Dadurch das zwar Armut, mangelnde Bildung und nicht vorhandene soziale Institutionen angeprangert werden, durch die Ausblendung einer politischen Analyse aber die strukturellen Ursachen verdeckt werden, erscheint das Ganze als ein Problem mangelnder Moralität und lnitiativkraft der Einzelnen und der Gesellschaft, bzw. mangelnden Bewußtseins über die Problemlage. AIDS und Armut werden eins, als sei Armut eine Naturkatastrophe, bzw. eine Krankheit, die durch geeignete Hygieneregeln, bzw. Verhütungsmittel, bekämpft werden könnte. Die DSW begreift ihre Aufgabe denn auch primär als Erziehungsauftrag, mit moderner Pädagogik, also einer fortschrittlichen und der Zeit angepaßten Herrschaftstechnik.
Aufklärungsprojekte für Jugendliche machen den größten Teil der DSW-Projekte aus.
Auch hier muß wieder gesagt das über den Sinn dieser Projekte im einzelnen keine Aussage möglich ist, die Kritik bezieht sich auf das dahinterstehende Modell von entwickelten Ländern, die nach Aussage der DSW weiter vorne stehen, und unterentwickelten Ländern, einem Modell das die Gesellschaftssysteme der westlichen Industriestaaten als Zielpunkte einer angestrebten Entwicklung weltweit definiert. Dies bedeutet vor allem Kapitalismus, bzw. freie Marktwirtschaft, und parlamentarische Demokratie. Eingeschränkt wird dies nur durch den Begriff der Nachhaltigkeit, die auch in den westlichen Industriestaaten anzustreben sei. Richtiger wäre hier wohl zu sagen umgesetzt wird dies durch die Nachhaltigkeitsideologie, das alles verschlingende 'wir' des "Natürlich müssen auch wir lernen, nachhaltiger zu leben." Zum Beispiel, in dem Spenderinnen mal eben zu einem Flug nach Afrika auf Kosten der TUI eingeladen werden, wie es die DSW in einer ihrer Werbebroschüren darstellt. Es geht bei diesem Beispiel nicht um die Amoralität oder Moralität eines solchen Tuns, sondern um die sich darin widerspiegelnden gesellschaftlichen Verhältnisse, die im Begriff des nachhaltigen Wirtschaftens, wie er z.B. von U. v. Weizsäcker (also einem Kuratoriumsmitglied der DSW) geprägt wurde, als zu erhaltende gesetzt werden und darin festgeschrieben werden.
Kritikerinnen der Wuppertaler Studie "Zukunftsfähiges Deutschland" von U. v. Weizsäcker sprechen dementsprechend deutlich von der ökologischen Modernisierung der Diskriminierung. Im einzelnen stellen die Kritikerinnen fest, "Die technische, Vernutzung optimierende Effizienz, die in ihrer Entwicklung und Anwendungen entsprechenden Experten vorbehalten bleibt, wird durch die Suffizienz - d.h. den Verzicht - von jederfrau untermauert. Ein ökologisch ökonomisch erfolgreiches Deutschland teilt sich nach dem Modell der Studie in einen effizienten, weltmarktorientierten Hochlohnsektor und einen Niedriglohnsektor. Diese 'formelle Okonomie' formiert sich wie gehabt auf dem Rücken eines unbezahlten Reproduktionssektors. Dessen Bedeutung wird zwar von den Autoren mit moralischen Appellen aufgewertet, wobei Jedoch geflissentlich übersehen wird, daß gerade die beiden letzten Bereiche ohnehin zum 'natürlichen Betätigungsfeld' von Frauen gerechnet werden. Das heißt das die Kosten dieses Umbaues In erster Linie von Frauen getragen werden.
Konkrete Einsparungsvorschläge richten sich aufgrund des individualistischen Ansatzes der Studie in erster Linie an die Haushalte, nicht etwa an die Industrie oder gegen die Unmenge von Ressourcen. die zur Aufrechterhaltung dieser Art von Wirtschaftens und Regierens nötig sind. Sie stellen sich dar in der Abschaffung von Küchengeräten, Energieeinsparungen, Ernährungsumstellung, die in erster Linie Frauen erhebliche Mehrarbeit abverlangen."
Die Zuspitzung der Besitzverhältnisse, die Entdemokratisierungen in medialen Scheindemokratien, die das Entwicklungsmodell der westlichen Industriegesellschaften zunehmend auszeichnen sind für diese Leute offensichtlich Zeichen einer funktionierenden Demokratie.
Wenn in der Selbstdarstellung der DSW das Kuratoriumsmitglied Rolf Seelmann-Eggebert schreibt, "von Zeiten in denen wir lernen müssen, den Gürtel enger zu schnallen, weil wir zu lange über unsere Verhältnisse gelebt haben" wird vielleicht noch deutlicher welche Ideologeme hier bedient werden. Da, die für die DSW in leitenden Positionen Tätigen, alle samt zur Oberschicht der BRD gehören, gilt für sie zweifelsohne, daß sie eben zu den Gewinnern der Umverteilung der letzten Jahre gehören, also alles andere tun als den Gürtel enger schnallen.
Das Abheben auf mangelndes Bewußtsein führt geradezu zwangsläufig zu einer zentralistischen Beschlußfassung der Wissenden. Vor allem dann, wenn mittelfristig, wie zu erwarten, da die kapitalistischen Strukturen noch ausgebaut werden, die Probleme, trotz aller Pädagogik und allen "guten Willens", nicht gelöst werden, sondern weiter wachsen, wird mit diesen Argumentationen der Boden für totalitäre Politikkonzepte geebnet. Dann wird es auch immer näherliegender, daß sich die "Hygieneregeln" nun gegen die "kranken Individuen" selbst richten. Eine solche Politik würde natürlich von der DSW als gegen Menschenrechte gerichtet und als ineffizient abgelehnt, mit durchaus ehrlicher Entrüstung, tatsächlich bereitet aber eben diese Form eines atheoretischen Liberalismus den Boden für totalitäre "Lösungen".
Die Strategie der Reduktion von grundlegenden gesellschaftlichen Problemen auf die Frage einer mangelnden Anwendung technokratischer und bürokratischer Fachkompetenz ähnelt der der EXPO. Dabei werden ehemals linke emanzipatorische Begriffe in den Wissenschaftskanon durch diese Fachleute übernommen, um sich damit eine zum Teil verlorengegangene politische Legitimität erneut anzueignen. Die Begriffe werden ihres politischen Inhaltes weitestgehend entleert. Damit dient dieses Aufgreifen letztendlich der Verhinderung einer Politik von Unten.
Für die DSW ist es somit auch kein Problem gleichzeitig mit den immer wiederkehrenden Hinweis auf das angeblich durch das Bevölkerungswachstum ausgelöste Problem der Einwanderung nach Europa, wörtlich, "Die Massen der illegalen Einwanderer", auf rassistische Ängste zu bauen und gleichzeitig an anderer Stelle sich für das Empowerment der Frauen und gegen Gewaltverhältnisse auszusprechen. Diese Verbindung macht geradezu die Modernität dieser Stiftung aus.
Welche hier nicht mitmacht, ist fortschrittsfeindlich, hält an überkommenen Politikmustern fest, hat letztendlich Schuld an allem Bösen durch ihre/seine Verhinderungspolitik.
Wir sitzen alle im selben Boot, der Multimillionär aus Hannover mit dem hungernden Kind aus Afrika. Fragt sich nur wer auf wem?
Hier wird alte Politik mit einem Schuß Multikulti und Gleichstellungsrhetorik in neue Flaschen gefüllt. Gesellschaftliche Widersprüche oder gar so etwas böses wie sich widersprechende politische Interessen gibt es nicht.
Ethnoästhetik & Negergeld
Dementsprechend ist die Ästhetik der Werbeprospekte, lächelnde, bunt angezogene, schwarze Kinder, Jugendliche und Mütter, dazwischen einige andere Ethnien auf vielen vielen Fotos in guter Druckqualität. Ihnen gegenüber die fast ausschließlich weißen Helferinnen und Fachleute, überwiegend Männer in Anzügen mit Renommee. Die Botschaft ist eindeutig wir aus den "entwickelten Regionen" müssen den Frauen und Kindern in den "weniger entwickelten Regionen" Hilfestellung leisten, damit sie genauso glücklich werden wie wir. Die guten weißen Väter und Mütter helfen ihren Enkelinnen und den Frauen in der Dritten Welt auf den rechten Weg.
Mit der Unterstützung von "Graswurzelinitiativen", "Frauenförderung" und "Selbsthilfeinitiativen" in Afrika, Asien und Lateinamerika wird in der BRD reaktionäre Politik gemacht. Diese Gruppen müssen als Feigenblatt für die schon benannte Propaganda herhalten, die als ein Hauptproblem für die Ökologie das Bevölkerungswachstum angibt. Die im freien Zugang zu Verhütungsmitteln (eine Forderung die unabhängig davon Unterstützung verdient) das adäquate Konzept zur Bekämpfung der Armut, der Diskriminierung von Frauen, der Eindämmung von AIDS, u.a. sieht. So heißt es in der Selbstdarstellung der DSW im Vorwort des 1. Vorsitzenden Erhard Schreiber, "Immer mehr Menschen erkennen die Auswirkungen, die ein rasantes Wachstum der Weltbevölkerung mit sich bringt: Verschärfung von Unterernährung, Armut, Umweltzerstörung und eine wachsende Kluft zwischen armen und reichen Ländern." Bei gleichzeitiger Ausblendung der durch die internationale Politik der BRD und ihrer Industriekonzerne betriebenen Politik ist dies, zusätzlich zu der schon genannten Naturalisierung politischer Probleme, Weißwäscherei.
Wenn sich hier die oberen Zehntausend mit nicht einmal einer halben Millionen DM an Spendeneinnahmen, gestreut auf 20 Projekte, ein gutes Gewissen kaufen, ist dies angesichts der Schäden, die eben dieselben Leute in ihrer Alltagspolitik zu verantworten haben, ein lächerlicher Ablaßhandel. Die DSW ist eine professionelle Marketingagentur für das Thema Bevölkerungspolitik und davor noch für die Eigenwerbung und Selbstdarstellung.
Das darbende Brot für die Welt Kind entspricht dabei nicht mehr dem zeitgemäßen Outfit, heute fördert mann/frau lieber "innovative, fertilitätsrelevante Pilotprojekte für junge Menschen und die Entwicklung von Netzwerken entsprechender Selbsthilfeinitiativen" Die rassistischen Implikationen einer Politik die Menschenrechte nicht als politisches Anrecht ansieht, sondern als etwas das aus Gefälligkeit/Mitleid großzügig gewährt wird, haben sich dabei nicht geändert. Das Auslagern politischer Aufgaben an private Stiftungen verschleiert eine Politik der Elendserzeugung und entmündigt die Betroffenen ein zweites mal. Dies gilt für sozialpolitische Aufgaben in der BRD ebenso wie für die internationale Politik.
Nichte Eden statt Onkel Tom
Die Politik der DSW ist aber nicht nur rassistisch sie ist implizit auch sexistisch trotz aller Rhetorik des Empowerment der Frau. Die Infantilisierung erwachsener Männer unter rassistischen Gesichtspunkten ist heute offensichtlich selbst in konservativen Kreisen nicht mehr tragbar. Bei Frauen und Jugendlichen ist dies wie in den Publikationen der DSW zu sehen völlig unauffällig. Lauter in die Kamera strahlende farbige Männer würden wohl selbst der DSW seltsam anmuten. Die Eingrenzung auf die Darstellung von Frauen und Kindern rekurriert letztendlich auf sexistische Stereotype in unserer Gesellschaft, Frauen als hilfsbedürftig aber auch folgsam, Mädchen schlägt mann nicht. Darüber hinaus werden Frauen auf ihre Gebärfähigkeit reduziert.
Auf der anderen Seite wird aber auch immer wieder die Relevanz der Verbesserung der gesellschaftlichen Stellung von Frauen und des politischen Empowerments betont. Damit wird aber auch auf die Frau als ewig unverbrauchte Ressource rekurriert. So erscheint 'die Frau' gleichzeitig stark und schwach.
Wo sollen die Frauen, die eh schon den überwiegenden Teil der anfallenden Arbeit leisten, nun auch noch diese Kraft hernehmen. Hinterher wird es heißen, die Chance hätten sie doch gehabt. Damit wird eine weitere Zangenbewegung aufgemacht, die 'vernünftige' Frau übernimmt die ihr angetragene Verantwortung, setzt sich einer Medizinalisierung ihrer Fruchtbarkeit aus und erwirtschaftet nebenher das Einkommen zur Ernährung der Familie. Damit wird ein Geschlechtsklischee der verantwortlichen Mutter verstärkt, daß heute bereits in Teilen der Welt dazu führt, daß Frauen sich prostituieren um ihre Familien ernähren zu können, während die Männer sich absetzen. Notwendig wäre hier eine Politik die tatsächlich den Bruch mit bestehenden Geschlechtsklischees betreibt. Das dies eine politische Auseinandersetzung bedeuten würde ist klar, die Vermeidung dieser Auseinandersetzung läuft aber für die Frauen auf die modernisierende Festschreibung ihrer Rolle hinaus. Trotzdem mögen einige der von der DSW geförderten Projekte tatsächlich eine Erleichterung für die betroffenen Frauen bedeuten, diese ist aber nicht Lösung des zugrunde liegenden Problems, sie schafft vielleicht ein wenig Handlungsspielraum. Das zu Kritisierende ist, das die DSW ihre Politik als Lösung verkauft.
Gerade der Rekurs auf Gleichstellungspolitik, auf einkommensschaffende Maßnahmen für Frauen, auf reproduktive Selbstbestimmung, instrumentalisiert auch diese Politik noch für die eigenen Interessen einer konservativ liberalen Nomenklatur. Über die Frauen und Jugendlichen in den Projekten kann hier natürlich gar nichts ausgesagt werden, nur über das Klischee zu dem sie verarbeitet werden.
Der instrumentelle und okkupierende Umgang der DSW mit dem Begriff einer Politik gegen die Diskriminierung von Frauen wird auch an anderer Stelle deutlich. Obwohl die DSW feststellt, daß der größte Teil der Müttersterblichkeit aus den Verhältnissen resultiert unter denen illegale Abtreibungen stattfinden, spricht sich die Stiftung explizit nicht für eine Legalisierung aus. Der Lösungsvorschlag der DSW ist ein anderer, besser gesagt immer derselbe, denn diejenige, die rechtzeitig verhütet, treibt nicht ab, und stirbt damit auch nicht an den Folgen einer illegalen Abtreibung. So kann sich denn die Stiftung ganz frauenfreundlich gegen die Müttersterblichkeit engagieren ohne es sich mit den Abtreibungsgegnerlnnen zu verderben, ja sich sogar als wahrhaftige Verhindererin von Abtreibungen profilieren. Den Spruch kenn' ich übrigens auch von zu Hause, "Frauen, die heute abtreiben, haben ja selber schuld, sie hätten ja verhüten können".
Außerdem bekämpft die DSW nicht nur das "Bevölkerungswachstum" sondern auch AIDS. In dieser Verbindung wird nahegelegt auch die Gebärfähigkeit als Seuche anzusehen die mit entsprechenden Mitteln bekämpft werden muß. Auch hier wird wieder Politik mit Ängsten gemacht, nicht nur in der BRD, schließlich hat sich "die Anti-AIDS-Arbeit (.) als idealer Einstieg für die Arbeit mit Jugendlichen auf dem Gebiet der reproduktiven Gesundheit erwiesen".
Alle wollen nur Ihr Bestes
Der Wolf hat Kreide gefressen. Auch konservativ liberale Kreise kommen nicht mehr daran vorbei festzustellen, daß die soziale Situation in den "Entwicklungsländern" ein Problem ist, daß das Verhalten der Männer ein Problem ist. Dies wird auch von der DSW als solches benannt. Ausgelassen wird, daß dies ein Problem von Herrschaftsverhältnissen ist, und das z.B. Konzerne wie Shell mit ihrer Politik massiv zur Verschärfung der Situation beitragen, das Sexismus auch durch westliche Werbung und TV-Serien transportiert wird, daß der Kapitalismus weltweit Armut und Arbeitslosigkeit produziert.
Der Export von Gewalt funktioniert dabei doppelt, exportiert werden auch die eigenen Gewaltverhältnisse in der rassistischen und sozial ausgrenzenden Projektion, die Täter sind in diesem Stereotyp, die schwarzen Männer, die Albaner, oder Unterschichtskerle oder Kriminelle,
Von der DSW gibt es nur Allgemeinplätze und den Verweis auf ungewollte Schwangerschaften, als wären, wie schon dargestellt, die gesellschaftlichen Verhältnisse in ihrer Grundstruktur naturgegeben und nicht veränderbar. Das Statement des "Wir müssen die Grenzen respektieren, die uns gesetzt sind" ist eine stockreaktionäre Position.
Diese Form der Auslassung im Gesellschafts- und Wirtschaftssystem begründeter Widersprüche und Ausbeutungsverhältnisse stellt letztendlich eine Auslöschung des Politischen dar, die systematische Entpolitisierung gesellschaftlicher Ungleichheit. Dazu sind die sozialliberalen Begrifflichkeiten ideal geeignet. Begriffe wie Empowerment, Basisbewegung u.a. beinhalten keine Analyse der Herrschaftsverhältnisse und sind somit ohne weiteres okkupierbar. Für Begriffe wie Feminismus, Kapitalismus gilt dies offensichtlich nicht. Sie werden nicht so sehr übernommen als verächtlich gemacht.
Ergänzt wir diese Entnennung von Gewalt durch Statistiken über Statistiken, Frauen und Kinder im Blick des lnsektenforschers. Natürlich ist auch dieser Blick modernisiert, systemtheoretisch aufgemotzt. Es geht nicht mehr um den einzelnen gewaltvollen Eingriff sondern um die Unterstützung an den richtigen Stellen, die Steuerung über Veränderungen des Umfeldes. Auch in der Insektenforschung redet mann nicht mehr von der Dezimierung der Schädlinge sondern von der Steuerung des ökologischen Gesamtsystems, diese Gleichgewichtslinguistik impliziert die schon genannte Vernachlässigung gesellschaftlicher Widersprüche.
Wir fordern, das Gleichgewicht der Ausbeutungsverhältnisse zu kippen.
Ein bißchen Erwerbstätigkeit für Frauen und Jugendliche, ein bißchen mehr Bildung, Öffentlichkeitsarbeit, ein bißchen politische Einflußnahme, ein bißchen Gesundheitsberatung und die Zielgruppen tun schon das Gewünschte, so zumindest die implizite Werbebotschaft der DSW. Aber immer nur ein bißchen, so daß sie sich strecken müssen, abarbeiten, Verschleißen in der Selbsterhaltung und der Erhaltung der Kinder, und nicht auf dumme Gedanken kommen. Der Satz von der Hilfe zur Selbsthilfe führt als Sparansatz der Geberländer unter dem Stichwort der Steigerung der Effizienz zur Notverwaltung von Mißständen. Diese Notverwaltung ist zweifellos einem 'Gar nicht' vorzuziehen, Nur befinden sich gerade die nichtstaatlichen Institutionen hier in der Pflicht einer strukturellen Kritik. Die DSW leistet dies nicht. Sie agiert wie eine nichtstaatliche Staatsorganisation.
Diese regierungsnahen und industrienahen NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) dienen Staat und Industrie zunehmend als Vermittlungsorgane ihrer Politik. Sie verfügen meist über eine ausgezeichnete Finanzausstattung, guten Medienzugang und hervorragende politische Kontakte. Auf dieser Grundlage sind sie in der Lage, das Spektrum nichtstaatlicher Gruppen zumindest zum Teil zu dominieren. Damit wird die kritische Öffentlichkeit, wie sie bisher von staats- und regierungsunabhängigen NGO gestellt wurde, ausgehebelt. Auch die Besetzung der verschiedenen Foren der EXPO 2000 fast ausschließlich durch industrie- und staatsnahe Funktionäre (wenige Funktionärinnen) basiert auf der Grundlage dieser Politik. Staat und Industrie debattieren kritisch mit sich selber. Dementsprechend sieht die DSW die EXPO auch als ideales Forum ihrer Propaganda. Für Außenstehende sind dies Zusammenhänge nur schwer zu erkennen.
Die Selbsthilfegruppen vor Ort haben keine Wahlmöglichkeit, ihre Finanziers können sie sich nicht aussuchen.
Die DSW wäscht nicht nur sauber sondern rein.
Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung verkauft Deutsche Wertarbeit, ein gutes Gewissen, ein Modernes Outfit, global, nachhaltig, emanzipativ, einfach rundum gut. Ein moderner Dienstleistungsbetrieb mit professionellen Marketing. Die Bundeswehr könnte hier viel lernen. Doch die DSW begnügt sich nicht mit dem Guten, sie ist auch gegen das Böse auf der Welt.
Zu den Autorinnen: Jörg Djuren und Ute Finkeldey waren zur Zeit als dieser Artikel entstanden ist StudentInnen an der Universität Hannover. Kontakt über die E-Post-Adresse auf dieser Netzseite.
Zur DSW: Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung hat ihren Sitz in Hannover. Zum direkten Umfeld gehören der Förderverein und der Balance-Verlag.
Deutsche Stiftung Weltbevölkerung - Göttinger Chaussee 115 - D 30459 Hannover
Erstveröffentlicht im Reader zum Kongreß "Nachhaltige Weltbilder - Hinter den Kulissen Nachhaltiger Entwicklung" - Hannover - AStA Universität Hannover - Hannover - 1998 (Nachdrucke in der Zeitschrift Alaska und im Materialienreader der Anti-EXPO-AG)
Texte zur Kritik der Bevölkerungspolitik und -technologie - J.Djuren
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Impressum: Paula & Karla Irrliche
Zuletzt aktualisiert 30.10.14
Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW), eine Kritik ihrer Bevölkerungspolitik Ideologie - Text über; Bevoelkerungspolitik Ueberbevoelkerung Empowerment Feminismus Antisexismus Sexismus antisexistisch Antirassismus Antikapitalismus Kapitalismus Kritik