FDP - die Finanzkapitalismus Deregulierungs Partei
- 2017 nicht anders als 2007 / 2008 -
Die Finanzkrise 2007 / 2008 hat nicht nur bei den Banken und Fonds keinerlei Lerneffekt hinterlassen, auch die Lobby dieser Strukturen in Deutschland, die FDP, setzt weiter und wieder auf die gleichen alten gescheiterten Rezepte: Privatisierung, Deregulierung des Verbraucherschutzes zu Gunsten großer Kapitalgesellschaften, Anlage der Finanzmittel der Rentenkassen in spekulativen Anlagefonds, Sanierung von Banken und Aktienmarkt auf Kosten des Staates und auf den 'Markt' als Allheilmittel.
Nachzulesen ist dies im fast 100 Seiten dicken Programm der FDP zur Bundestagswahl 2017. Aber auch dies ist wohl ein Buch von dem wieder einmal viele Deutsche im Nachhinein sagen werden: "Ach das habe ich nicht gelesen, dass habe ich nicht gewusst, als ich Herrn Lindner gewählt habe."
Politik für das Finanzkapital
Deshalb hier eine kurze Zusammenfassung einiger besonders Banken und Spekulationskapital freundlicher Punkte:
Sanierung von Banken und Fonds auf Kosten des Staates
- Ein wesentlicher Faktor der staatlichen Ausgaben sind die Zinsleistungen auf Schulden. Dies gilt für den Bund, die Länder und die Kommunen. Je niedriger die Zinsen, desto besser für die BürgerInnen, da dann mehr Steuergelder ihrem eigentlichen Zwecken z.B. Schulen, Infrastruktur usw. zufließen. Überschuldete Kommunen müssen trotz ihrer Schuldenlast zur Zeit relativ niedrige Zinsen zahlen, da sie abgesichert sind über Land und Bund und die Zahlungen damit sicher gestellt sind. Dafür können aber Zwangsmittel gegen sie verhängt werden (Finanzaufsicht durch das Land).
Die FDP will, dass Kommunen zukünftig als unabhängige Einheiten am Finanzmarkt agieren und auch zahlungsunfähig werden können. Dies würde bei Kommunen mit hohen Schulden zu hohen Zinsaufschlägen führen und potentiell gerade dadurch eben zur Zahlungsunfähigkeit. Profitieren würden Banken und Spekulationsfonds, die mit Schuldtiteln handeln. In nicht unerheblichen Teilen von NRW würde dies umgehend zu Verhältnissen wie in Griechenland führen. Verblüffend ist schon, das selbst in Kommunen, die die FDP zu Gunsten des Spekulationskapitals opfern will, die Partei teils zweistellige Ergebnisse bei den Landtagswahlen erhalten hat. Aber die Lesefähigkeit lässt ja nach.
(Jeder haftet für die eigenen Schulden - FDP-WP Seite 81)
ÖPP
- Untersuchungen über Öffentlich-Private-Partnerschaftsprojekte (ÖPP oder Englisch PPP) der letzten Jahrzehnte zeigen, wie diese Projekte zu fatalen Kostensteigerungen für Kommunen führen (siehe z.B. Link am Endes dieses Textes - Autobahnrettung in Spanien schon Realität - telepolis 26.08.2017 -). Dies ist auch nicht verwunderlich, schließlich wollen die Investoren daran möglichst viel verdienen. ÖPP dienen vor allem Investitionsfond zur Aufbesserung ihrer Einnahmen auf Kosten von Kommunen und auf Kosten anderer staatlicher Körperschaften, deren VertreterInnen in der Regel die komplexen Vertragswerke nicht wirklich durchblicken und über den Tisch gezogen werden. Auch hier sollen die BürgerInnen für die Profite der Investitionsfonds zur Kasse gebeten werden und auch diese Fehlentwicklung möchte die FDP weiter verschärfen.
(Nutzung Öffentlich-Privater Partnerschaften bei Verkehrsprojekten - FDP-WP Seite 31)
Anlage der Finanzmittel der Rentenkassen in spekulativen Anlagefonds
- Zumindest bzgl. ihres Lobbyismus für das Finanzkapital kann der FDP Inkonsequenz nicht vorgehalten werden. Entsprechend ist die Forderung Lebensversicherern, Pensionskassen und Versorgungswerken zu Ermöglichen ihr Kapital in Risiko reichen Anlagen zu investieren und damit den Casinokapitalismus zu füttern nur schlüssig zu nennen. Ehrlich sollte der Punkt aber Abbau der Rentensicherheit benannt werden.
(Breitere Investitionsmöglichkeiten für Kapitalsammelstellen - FDP-WP Seite 38)
Deregulierung, des Verbraucherschutzes zu Gunsten großer Kapitalgesellschaften
- Das spekulative Kapital drängt zur Zeit mit hohen Summen in den Immobilienmarkt, die begrenzte Ressource wird genutzt um mit Quasimonopolen und überhöhten Mieten Gewinne zu machen. Von der FDP wird diese Realität schlichtweg geleugnet und ein gesetzlicher Regelungsbedarf negiert. Statt Wohnungen zu bauen, will die FDP lieber staatlicherseits mit Wohngeld die Spekulationsgewinne der ImmobilienspekulantInnen absichern. (Mietpreisbremse - FDP-WP Seite 94 / Wohnungsbauförderung - FDP-WP Seite 95)
Allheilmittel 'freier Markt'
- Der Handel mit CO2-Zertifikaten ist gescheitert, ein klassischer toter Gaul, trotzdem will die FDP auf dieses Fehlkonstrukt, die gesamte Klimapolitik stützen und mit diesem toten Gaul in die Klimazukunft reiten (Stärkung des EU-Emissionshandels für den Klimaschutz - FDP-WP Seite 88). Das bedeutet in der realen Konsequenz den Ausstieg aus dem Klimaschutz. Unverschämt wird es bereits vorher auf Seite 83 (Verbesserte Standortbedingungen für den Industriestandort Deutschland), auf der die FDP behauptet, die derzeitige Klimapolitik würde zu hohen Energiepreisen für die Industrie führen. Dies ist eine klare Falschaussage. Das Gegenteil ist der Fall, der Strom an der Börse war selten so billig. Und zum Teil ist das auf die Überkapazitäten durch das Festhalten an Kohle bei gleichzeitigem Ausbau der regenerativen Energieträger zurück zu führen - also gerade auf die derzeitige Energiepolitik. Gestiegen ist der Strompreis für PrivatverbraucherInnen. Der ganze Politikansatz der FDP in diesem Bereich ist eine Luftnummer, die vollständig an den Realitäten vorbei geht.
Privatisierung
- Orientiert am Vorbild der in den USA mit katastrophalen Folgen für das Bildungssystem eingeführten Bildungsgutscheine, will die FDP dieses System nun auch in Deutschland durchsetzen. Zu den Folgen von Bildungsgutscheinsystemen in den USA finden sich am Ende dieses Textes Artikel aus der New York Times zum Thema.
(Bildungsgutscheine - FDP-WP Seite 14)
Natürlich finden sich auch wieder die Punkte Steuersenkungen und Einschränkung von ArbeitnehmerInnenrechten - Stichworte Flexibilisierung (Abbau überflüssiger Regulierung in der Zeitarbeit - FDP-WP Seite 40) -, neu ist aber, dass die FDP sich nun als Partei der Totalüberwachung der BürgerInnen profiliert.
FDP - Partei der Totalüberwachung
Zwar wird an vielen Stellen noch rhetorisch die Wichtigkeit von Datenschutz und BürgerInnenrechten betont, die konkreten politischen Forderungen, sind aber auf die Schaffung gläserner BürgerInnen ausgerichtet:
Personenidentifikationsnummer
- So fordert die FDP eine allgemeingültige Personenidentifikationsnummer für Behörden, das Gesundheitswesen, im Austausch mit Banken, Unternehmen und der BürgerInnen untereinander.
(Nutzerfreundliche Identifizierung mit dem Personalausweis - FDP-WP Seite 93)
Überwachung Kranker
- Der weitere Ausbau der 'Gesundheitskarte' ist hier nur ein weiterer Baustein bei der Entmündigung der BürgerInnen. Mehr Daten, die Menschen weiter geben, führen niemals zu mehr Selbstbestimmung, sondern sie werden mit Sicherheit irgendwann gegen einen verwendet. Das beweist die Erfahrung.
(Ausbau digitaler Gesundheitsdienstleistungen - FDP-WP Seite 93)
Abbau Datenschutz
- Außerdem fordert die FDP den Abbau der bisherigen Barrieren bei der übergreifenden Nutzung von Daten. Daten, die in einem Kontext erhoben wurden, sollen für beliebige andere Kontexte genutzt werden dürfen. Das heißt, die FDP fordert, das zentrale Datenschutzprinzip, dass Daten nur für den Erhebungszweck verwandt werden dürfen, abzuschaffen. Das ist aber auf Grund der zentralen Relevanz dieses Prinzips für den Datenschutz identisch mit der Abschaffung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung insgesamt. Zur Zeit soll dies aber noch freiwillig erfolgen. Wobei hier z.B. die Frage im Raum steht, wer entscheidet freiwillig, wenn ArbeitgeberInnen meine persönlichen Daten weiterleiten.
(Einführung des "Once-Only"-Prinzips - Seite 90)
Trennungsgebot Überwachungsbehörden
- Das auch das Trennungsgebot zwischen verschiedenen Überwachungsbehörden primär als Effizienzhindernis betrachtet wird ist dann auch wiederum nur schlüssig zu nennen. Also, dass die FDP nun dafür eintritt, das sogenannte 'GeStaPo-Verbot', der Trennung von Geheimdiensten und Polizei, weiter aufzuweichen.
(Reform der Sicherheitsarchitektur in Deutschland - FDP-WP Seite 49)
Verkleistert wird dieser Abbau von Bürgerrechten als Nutzung der 'Chancen' der digitalen Zukunft, die uns alle erwartet. Behörden und Konzerne werden aber, falls sie dazu die Möglichkeit bekommen, alle Daten, die sie erhalten, selbstverständlich für die Durchsetzung ihrer Interessen nutzen und dies auch dort, wo diese unseren Interessen entgegenstehen. Insofern ist der einzige sichere Datenschutz, die Nichterfassung bzw. eine Unterbindung ihrer Zusammenführung.
Die Rhetorik des Wahlprogramms ist dabei insgesamt von stringenter Wirklichkeitsverweigerung geprägt. So führt Digitalisierung grundsätzlich nur zu Vorteilen. Selbst die Ära Helmuth Kohl wird als Zeit der marktwirtschaftlichen Erneuerung gepriesen - Dank FDP. Außer der FDP dürfte wohl niemandem der Begriff 'Erneuerung' im Kontext der Regierungspolitik von Helmuth Kohl einfallen (Freie Demokraten: Die Richtigen für diese Zeit. - FDP-WP Seite 11). Und den Universitäten wird mangelnde Wirtschaftsnähe vorgehalten (Gründerkultur für die Hochschulen - FDP-WP 22). Das Gegenteil ist nach 40 Jahren einer Politik der kontinuierlichen Stärkung von Wirtschaftsinteressen an Universitäten und in Forschungseinrichtungen durch vielfache Änderungen der Hochschulgesetze, der Hochschulfinanzierung und der Forschungsförderung die traurige Realität - unabhängige kritische Forschung ist schon seit Jahren im Niedergang und bis auf verschwindende Restbestände inzwischen inexistent. Ganze Hochschulen werden zunehmend von Konzerninteressen übernommen. Wirtschaftsinteressen dominieren ungebremst die Hochschulen und die Forschung. Was fehlt, ist unabhängige kritische Wissenschaft.
Die FDP lebt anscheinend in einem Paralleluniversum.
Im Wahlprogramm finden sich noch weitere Fragwürdigkeiten. Wer aber trotz der obigen Punkte immer noch FDP wählen will, der/die verfügt vermutlich über ein großes spekulatives Anlagevermögen und wird sich auch durch weitere Argumente nicht vom Wählen der FDP abhalten lassen, bedient sie doch seine/ihre Interessen.
Und für die mit dieser Politik weiter zunehmende Spaltung der Gesellschaft hat die FDP auch eine Lösung "Eine Verschärfung des deutschen Waffenrechts lehnen wir ab" (FDP-WP Seite 73). Schließlich muss sich der/die SpekulantIn in zukünftigen Aufständen ja auch verteidigen können.
Jörg Djuren, 2017
Kurze Texte zur Kritik aktueller politischer Verhältnisse - J.Djuren
Links
FDP:
FDP Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 - https://www.fdp.de/sites/default/files/uploads/2017/04/30/fdp-bundestagswahlprogramm-2017.pdf
Kritik ÖPP:
Autobahnrettung in Spanien schon Realität - telepolis 26.08.2017 - http://www.heise.de/-3813367
Kritik Bildungsgutscheine:
Dismal Voucher Results Surprise Researchers as DeVos Era Begins - NY Times 23.02.2017 - https://www.nytimes.com/2017/02/23/upshot/dismal-results-from-vouchers-surprise-researchers-as-devos-era-begins.html
Betsy DeVos, Trump's Education Pick, Has Steered Money From Public Schools - NY Times 23.11.2016 - https://www.nytimes.com/2016/11/23/us/politics/betsy-devos-trumps-education-pick-has-steered-money-from-public-schools.html
Why Corruption Matters - NY Times 28.11.2016 - https://www.nytimes.com/2016/11/28/opinion/why-corruption-matters.html
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Zuletzt aktualisiert 30.08.17
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