Die Giordano-Bruno-Stiftung
- eine bioreligiöse Missionsgesellschaft auf dem Weg in die neurechte Mitte der Gesellschaft -
Ein Ethikpreis für die Relativierung der Menschenrechte
Die Giordano-Bruno-Stiftung (GBS) hat dem Bioethiker und Tierrechtler Peter Singer ihren Ethikpreis verliehen. Die Laudatio sprach Colin Goldner. Singer ist Utilitarist, er tritt dafür ein, das Lebensrecht von Menschen rational gegenüber der Menge an Glück / Unglück abzuwägen, das es bewirkt. In einem aktuellen Artikel im FAZ-Blog wurden die Positionen, die Peter Singer in seinem 1993 in Deutschland erschienen Buch 'Muss dieses Kind am Leben bleiben? Das Problem schwerstgeschädigter Neugeborener' geäußert hat, noch einmal dargestellt (bei dem kursiv gedruckten Text handelt es sich um Zitate aus dem Buch von Peter Singer).
'"Man schätzte, dass in den Vereinigten Staaten 1983 etwa 140.000 Kinder mit angeborenen körperlichen Abnormalitäten, geistigen Behinderungen oder Lernbehinderungen geboren würden. Ende der Fünfziger Jahre waren es 70.000" [...]
"Jedes Gemeinwesen kann nur eine begrenzte Anzahl von Menschen verkraften, für die es aufkommen muss. Wenn wir alle Kinder - ungeachtet ihrer künftigen Möglichkeiten - am Leben halten wollen, müssen wir andere Dinge, die wir möglicherweise für ebenso wichtig halten, aufgeben. Da die meisten Gemeinwesen offenbar nicht bereit sind, ausreichend Mittel für die Bedürfnisse ihrer behinderten Mitglieder bereitzustellen, ist das Überleben vieler weiterer schwerstbehinderter Kinder möglicherweise auch nicht im Interesse der behinderten Menschen, die bereits von staatlicher Fürsorge abhängig sind." [...]
Singer, der so freundlich und abwägend daher kommt, der sich den Menschenaffen brüderlich verbunden fühlt und dem kein Kalbsschnitzel in die Pfanne und kein Ledergürtel um die Hüfte kommt, möchte bei der Entscheidung, "ob wir ein Kind am Leben halten oder nicht, die Interessen des Kindes, der Familie, des ‚nächsten Kindes‘ und der Gemeinschaft als Ganzer berücksichtigen."' (Zitat nach FAZ - Peter Singer: Affenfreund, Behindertenfeind und ein Ethik-Preis - 27. Mai 2011)
Singer hat diese Positionen mit leichten Veränderungen bis heute beibehalten. Das Grundproblem ist dabei eine Weltanschauung, die Objektivität und wissenschaftliche Rationalität in ihren Argumenten vorspiegelt, indem sie scheinbar distanziert alles diskutierbar macht und Menschen auf funktionale Einheiten (Glücksautomaten) reduziert. Real diskutiert Singer aber vieles gar nicht, Biologismus, Wissenschaftsgläubigkeit, eine naive Fortschrittsgläubigkeit an die Versprechen z.B. der Genetik, u.v.a. ziehen sich durch die Texte und weisen auf ein extrem niedriges Niveau der Selbstreflexion. Singer spielt in der theoretischen Selbstimagination Gott und diskutiert in diversen Texten, welchen Menschen ein Lebensrecht zukommt und welchen nicht, etwas, das ihn mit vielen soziobiologistischen EthikerInnen verbindet.
Im Text 'Selecting Our Children' (2009) diskutiert er z.B. das deutsche Gendiagnostikgesetz und verwirft es unter anderem deshalb, weil es verbietet, Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik anzuwenden, um Embryonen mit Erkrankungsrisiko im höheren Erwachsenenalter auszusortieren. Im Text 'Should We Trust Our Moral Intuitions?' (2007) diskutiert er die Frage, wieso die meisten Menschen kulturübergreifend nicht bereit sind, einen fremden Menschen vor einen Zug zu werfen, um fünf anderen Menschen das Leben zu retten. Für Singer wäre es rational, den einen vor den Zug zu stoßen, und er sieht in der mangelnden Bereitwilligkeit dazu ein evolutionstheoretisch begründetes Entwicklungsdefizit. Mich hat dieses Beispiel an die Fragestellungen der KDV-Verhandlungen der 80er Jahre erinnert - Sie stehen im Wald, ihre Freundin wird von drei Russen vergewaltigt und ein Gewehr fällt vom Baum. Was tun sie? -. Auch hier zeigt sich wieder die naive Unreflektiertheit des Denkens Singers, der glaubt, er könne alle Folgen seiner Handlung überblicken. Die Realität ist aber keine Rechenaufgabe, und Menschen sind weder Äpfel noch Birnen und auch keine Glücksautomaten.
Vergleiche der Position Singers mit denen des NS werden gerne als absurd dargestellt, da Singer die Tötung Neugeborener nur in wenigen Fällen, in denen das Leid dieser Kinder ihr zu erwartendes Glück überwiegt, und nur mit dem Einverständnis der Eltern für diskutierbar hält, im Gegensatz zur Euthanasiepraxis des NS.
Ich schreibe gerade einen Artikel über Prof. Hermann Alois Boehm, einen der wichtigsten Propagandisten der Rassenhygiene in den Reihen der NSDAP der 20er und 30er Jahre, hochrangiger Kader der NSDAP (Mitgliedsnummer 120), Teilnehmer des Marsches auf die Feldherrenhalle, Blutordensträger, Leiter des Forschungsinstitutes der NS-Führerschule der Deutschen Ärzteschaft (und damit Ausbilder der NS-Ärzteschaft) und später Professor für Rassenhygiene. Boehm hat unter anderem für die NSDAP wichtige kommentierende Erläuterungen zum Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses geschrieben und hatte diverse Ämter inne. Boehm hat sich Anfang der 40er Jahre gegenüber der NS-Führung gegen die praktizierte Tötung von Behinderten ausgesprochen, er forderte, nur in Fällen, in denen das Leid der Behinderten hoch wäre und nur mit Zustimmung der Angehörigen Tötungen durchzuführen. Diese ethische Position Boehms entspricht zumindest in zentralen Teilen der Position Peter Singers, nur fasste Boehm den Begriff des Leids inhaltlich sicher sehr viel weiter. Prof. Hermann Alois Boehm wurde 1960 als Professor für Humangenetik emeritiert, er kann als einer der Begründer dieses Fachs in Deutschland angesehen werden. Hier schließt sich der Kreis zum Bioethiker Peter Singer, der vehement ethische Lobbyarbeit für die Humangenetik und eine individualisierte Logik des Sortierens von lebenswertem und lebensunwertem Leben betreibt.
Der rationale Untergrund menschenverachtender Politik
Hätten nur irrationale, autoritätsfixierte Stiefeltreter die NSDAP unterstützt, hätte die NSDAP keine Chance gehabt, sich durchzusetzen. Entscheidend für den Erfolg der Nazis war, dass sich frühzeitig und mit Begeisterung bürgerliche und wissenschaftliche Kreise der NSDAP angeschlossen haben. Boehm ist ein exemplarischer Vertreter dieser Kreise. Ich werfe Peter Singer und der GBS nicht vor, dass sie Naziideologie vertreten würden, sondern dass sie die bürgerlich-wissenschaftlichen Ideologieversatzstücke reanimieren, die dazu geführt haben, dass bürgerlich-wissenschaftliche Kreise (vor allem aus der Ärzteschaft) derartig bereitwillig die NSDAP unterstützt haben. Und ich sehe dies als besonders problematisch an in einem Moment, in dem sich erneut eine radikalisierte menschenverachtende neurechte Gesinnung im Bürgertum ausbreitet, die genau auf diesen Ideologieversatzstücken aufbaut (Stichworte: Antiislamismus, Thilo Sarrazin, ...).
Die NSDAP war für Teile des Bürgertums gerade deshalb attraktiv, weil sie Teile der naturwissenschaftlichen Weltanschauung ihrer Zeit zum politischen Programm erhoben hat.
'Wenn wir unseren kurzen Ausflug in das Gebiet der Naturwissenschaft überblicken, so kommen wir zu dem Schluß: Die nationalsozialistische Weltanschauung ist auch wissenschaftlich absolut richtig, sie entspricht in Voraussetzung und Folgerungen den ehernen Gesetzen der letzten Weisheit, den Gesetzen der Natur.' (Der Rassegedanke des Nationalsozialismus - H.A. Boehm - 1938)
Verknüpft wurde dies dann noch in Teilen der NSDAP mit einer Kritik der Kirchen und einem Menschenbild, das den Mensch als ein Tier unter anderen Tieren begriff.
Das heißt, dass sich vier programmatische Punkte in der frühen NSDAP-Programmatik finden lassen, die sich auch im Umfeld und in der Preisverleihung der GBS an den Tierrechtler Peter Singer widerspiegeln:
- Eine biologistische Weltanschauung, die Menschen auf Biologie reduziert.
- Eine funktionalistische Betrachtung der Menschen, die scheinbar objektiv mit Hilfe von Statistiken und naturwissenschaftlicher Empirie nur Fakten abwägt, ohne zu begreifen, dass jede, auch jede naturwissenschaftliche Betrachtung, durch die Vorurteile ihrer Zeit wesentlich beeinflusst wird.
- Eine atheistische Kritik am Christentum (die in der NSDAP vor allem gegen die 'Sklavenmoral' des Christentums und gegen den Grundsatz der Gleichheit der Menschen (vor Gott) gerichtet war).
- Eine entkulturalistische, politisch-gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse ausblendende Sicht auf den Menschen als Tier unter Tieren (im NS verknüpft mit dem Feiern des starken, nicht entarteten wilden Tieres und des Ausleseprozesses der Natur).
Ich lasse im folgenden einfach eine Gegenüberstellung von Zitaten von Hermann Alois Boehm und von Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der GBS, zur biologistisch funktionalistischen Sicht auf den Menschen für sich selbst sprechen:
'Das über diese Tatsache der erbmäßigen, rassischen Verschiedenheit der Menschen überhaupt diskutiert werden konnte, ist angesichts der Fortschritte auf dem Gebiet der Naturwissenschaften in den letzten hundert Jahren eigentlich unbegreiflich. Es läßt sich nur erklären aus einer wahnsinnigen Überheblichkeit des Menschen, der für sich eine Sonderstellung außerhalb des übrigen Naturreiches in Anspruch nehmen zu müssen glaubte und wähnte, durch seinen erzieherischen Einfluß die von der Natur bestimmten Verschiedenheiten ausgleichen zu können - ein Versuch, der durchaus im Rahmen der allgemeinen aberwitzigen Zielsetzung, die Natur beherrschen, sie überwinden zu wollen, lag.' (Die Aufgabe der Hochschule im Dritten Reich und die Forderungen großer Deutscher der Vergangenheit - H.A. Boehm - 1935)
'Der "normative Kulturismus" zeichnet sich dadurch aus, dass er aus solchen kulturistischen Interpretationen politische Sollenssätze ableitet. Normativ kulturistisch sind beispielsweise gesellschaftspolitische Programme, die den Menschen (als Spezies wie als Individuum) als "beliebig formbar" begreifen (also die biologischen Eigenarten unserer Spezies und auch die biologischen Unterschiede zwischen den Individuen, etwa unterschiedliche Begabungen, unzulässig ausblenden). [...]
Wer kulturistisch argumentiert, kommt am Ende zu falschen Schlüssen, da er verkennt, dass die menschliche Kultur nichts weiter ist als eine spezifische Ausdrucksform der Natur.' (Auf dem Weg zur Einheit des Wissens - M. Schmidt-Salomon)
'Die Erkenntnis von der grundlegenden Bedeutung des Erbgutes darf aber nicht verleiten zu einer gefährlichen Gedankenrichtung, die man als Vererbungsfatalismus bezeichnen kann, die den Menschen als unentrinnbares Opfer seiner Vererbung ansieht. Wäre das so, dann müßten wir ja, müde entsagend, unsere ganze Schulung und Erziehung als wertlos aufgeben. Wie oben gezeigt, wird nie ein Merkmal, sondern immer nur die Anlage zu einem Merkmal vererbt. Die Erziehung hat die hohe und schöne Aufgabe, Einblick zu gewinnen in die Erbanlagen des zu Erziehenden und dann diejenige Umwelt zu schaffen, die der Entfaltung günstiger Erbanlagen die Wege ebnet, die Entfaltung ungünstiger Erbanlagen nach Möglichkeit verhindert.' (Der Rassegedanke des Nationalsozialismus - H.A. Boehm - 1938)
'Sloterdijk ist aber beileibe nicht der einzige Vertreter dieses naturwissenschaftlich unhaltbaren DNA-Fundamentalismus. Woche für Woche finden sich ähnlich groteske Fehldeutungen in den Medien. So wartete z.B. Der Spiegel im November 1998 mit einer Titelgeschichte auf, die die Sinnlosigkeit aller erzieherischen Anstrengungen beweisen sollte.' (Die Entzauberung des Menschen - M. Schmidt-Salomon)
'Die Eigenschaften sind durchaus nicht eindeutig durch die Erbanlagen festgelegt; denn die gleichen Gene können sich unter verschiedenen Umweltbedingungen zu verschiedenen Eigenschaften entfalten. [...]
Die Eigenschaften sind ebensowenig eindeutig durch die Umwelteinflüsse bedingt; denn gleiche Umwelteinflüsse werden bei verschiedener Struktur zu verschiedenen Eigenschaften führen. [...]
Aus der experimentellen Genetik ist [...] (außerdem) bekannt, daß die Wirkung eines Gens sehr häufig weitgehend von anderen nicht allelen Genen wesentlich beeinflußt wird. [...]
Es ist leicht vorstellbar, daß auch der nicht vom Genom repräsentierte Teil der Zelle auf das Gen einwirken kann. [...]
Der Mensch ist also nicht das 'unentrinnbare Opfer' seiner Erbmasse; denn die Erbanlagen sind im Grunde genommen nur Reaktionsformen auf peristatische Einflüsse. Den Umwelteinflüssen sind ganz bestimmte unüberschreitbare Grenzen gesetzt. Sie können nur da wirken, wo Reaktionsbereitschaft besteht, wo also entsprechende Erbanlagen vorhanden sind. Durch sinnvolle Steuerung der unserer Beeinflussung zugänglichen Umweltbedingungen ist es möglich, die Manifestierung günstiger Erbanlagen zu unterstützen, unerwünschter Erbanlagen zu hemmen. Damit gewinnt die Erbbiologie und -pathologie auch innigste Beziehung zur Prophylaxe und Therapie.' (Umwelt und Vererbung - H.A. Boehm - 1941)
'Wie schlecht das Konzept des genetischen Determinismus wissenschaftlich begründet ist, zeigen nicht zuletzt die Ergebnisse der modernen Molekularbiologie – und hier insbesondere die Erforschung der sog. "epigenetischen" Prozesse. Mittlerweile wissen wir mehr über diese "Gen-Schalter", die verantwortlich dafür sind, dass bestimmte Teile des genetischen Erbcodes ausgelesen werden und andere wiederum nicht. Anders als der genetische Code, der in der Regel ein Leben lang unverändert bleibt, sind die epigenetischen Programme im höchsten Maße variabel. Sie erfüllen gewissermaßen eine Mittlerfunktion zwischen genetischer Anlage und äußerer Umwelt, indem sie hochsensibel auf die Signale reagieren, die vom Gehirn in Folge von Umwelteinflüssen und individuellen Erfahrungen ausgesendet werden. Nimmt man diese Forschungsergebnisse zur Kenntnis, so ist es evident, dass die deterministische Vorstellung, Gene würden unbeeindruckt von äußeren Faktoren das Leben bestimmen, falsch ist. Richtig ist vielmehr: Gene steuern nicht nur den Organismus, sondern werden gleichzeitig von diesem auf der Basis lebensweltlicher Erfahrungen (kulturelle Faktoren!) gesteuert.' (Auf dem Weg zur Einheit des Wissens - M. Schmidt-Salomon)
Noch mal zu Klarstellung, ich behaupte nicht, dass die GBS, Michael Schmidt-Salomon oder Peter Singer Nazi-Positionen vertreten. Sie äußern an vielen Punkten liberale, bürgerliche politische Zielvorstellungen. Es geht mir darum, für welche Kräfte diese Liberalen den Boden bereiten. Der Kern der Ideologie, die dem NS den Boden bereitete, war eben nicht eine simplifizierte Genetik, sondern der funktionalistisch biologistische Blick auf Menschen, das wird aus den Zitaten von H.A. Boehm überdeutlich. Und H.A. Boehm war ein zentraler Vertreter der NS-Rassenhygiene.
Dass Singer sich hier ignorant verhält, liegt vielleicht zum Teil an der Differenz zwischen dem angloamerikanischen Kulturraum und dem deutschsprachigen Kulturraum.
In den USA ist die radikale bürgerliche Rechte fundamentalistisch protestantisch religiös und antidarwinistisch, im deutschen Sprachraum hingegen ist die radikale bürgerliche Rechte biologistisch sozialdarwinistisch orientiert und religiöse Ausrichtungen spielen eine nachgeordnete Rolle. Dies zeigt sich auch in den gesellschaftlichen Diskriminierungen. Mit der religiösen Rechten der USA sind vor allem sexuelle Diskriminierungen verknüpft, während ein schwarzer Präsident wählbar war, hätte ein schwuler Präsidentschaftskandidat in den USA keine Chance. In Deutschland ist dies umgekehrt, hier ist bis heute Rasse (Kultur) die zentrale Diskriminierungskategorie, ein schwuler Bundeskanzler ist denkbar, ein türkischstämmiger nicht.
Das führt dazu, dass liberale SozialdarwinistInnen aus dem angloamerikanischen Raum mit ihren Publikationen in Deutschland die radikale bürgerliche Rechte stärken, also genau die politische Bewegung, die mit ihrem Antiislamismus in Deutschland das deutsche Pendant zur Teaparty-Bewegung der USA darstellt. Könnte dies bei Singer noch an kultureller Ignoranz liegen, gilt das nicht für die GBS, ihr muss klar sein, welche Geister sie beschwört.
Der Feind meines Feindes ist nicht mein Freund, Kritik der unkritischen Rezeption der GBS durch atheistische Linke
Auf Grund ihrer Kritik an den Kirchen trifft die GBS dabei aber sogar in der Linken auf Unterstützung, noch mehr gilt dies für Colin Goldner mit seiner Kritik am Dalai Lama. Selbst in der Utopia, der Jugendzeitschrift der graswurzelrevolution, wurden positive Bezüge zum genetischen Fundamentalismus aus dem Umfeld der GBS, z.B. durch Verweis auf - wissenrockt.de -, hergestellt. Dem naiven Glauben an die funktionale genetische Steuerbarkeit der Kinderproduktion, ja geradezu einem Rechtsanspruch auf genetisch optimierte Kinder Dank PID wird hier kurzerhand ohne Diskussion der Gegenargumente das Wort geredet. Die Religionskritik dient zur Vermarktung eines Wissenschaftsfundamentalismus und unkritisch-technokratischer "Fortschritts"erzählungen, die auch von der Presseabteilung von Sanofi-Aventis und anderen Gentechkonzernen stammen könnten. Auf wissenrockt.de wird zudem Reklame für zukünftig zu entwickelnde saubere 'Kernkraft' (Fusionskraftwerke) gemacht.
Dabei gibt es im gewaltfreien Anarchismus, genau wie im Feminismus, detaillierte rationale Kritiken dieser Formen des naiven Technikfetischismus. Diese differenzierten rationalen Kritiken lassen die WissenschaftsfundamentalistInnen aus dem Umfeld der GBS aber bewusst und wissentlich unter den Tisch fallen, indem sie die Debatte fast ausschließlich auf die Frontstellung Religion / Wissenschaft fokussieren. Letztendlich bedienen die GBS und ihr Umfeld damit herrschaftsaffirmative Interessen, indem sie die rationale kritische Auseinandersetzung mit Technologie und Naturwissenschaft unterbinden und an ihrer Stelle einen fundamentalistischen Kampf zwischen Religion und Wissenschaft inszenieren. Die in den 70er und 80er Jahren entwickelten rationalen technologie- und naturwissenschaftskritischen Positionen werden dabei aus der Öffentlichkeit verdrängt.
Und viele atheistische Linke sind leider naiv genug, dies aus dem einzigen Grunde zu übernehmen, dass Religionskritiker ja wohl per se gut sein müssen. Der Feind meines Feindes ist aber nicht mein Freund.
Außerdem legt selbst Michael Schmidt-Salomon Wert auf die Feststellung, dass die GBS keine atheistische Institution ist. Ihm ist Recht zu geben. Die GBS vertritt aggressiv eine fundamentalistische soziobiologistische, wissenschaftliche Weltanschauung. Entsprechend spricht sich Schmidt-Salomon auch für eine 'Leitkultur' dieser Art aus; letztendlich läuft dies auf die Gründung einer 'neuen' Wissenschaftsreligion hinaus.
'das, was sich unterhalb der medialen Oberfläche des "neuen Atheismus" befindet, ist weitaus interessanter als das, was bislang sichtbar wurde. Unter der Oberfläche zeigen sich nämlich die Konturen einer neuen Weltanschauung, [...] Ich möchte diese Weltanschauung als "naturalistischen Humanismus" bzw. in Analogie zum "neuen Atheismus" als "neuen Humanismus" bezeichnen. [...] Anders als der neue Atheismus versteht sich der neue Humanismus nicht bloß als Opposition, sondern ganz bewusst als säkulare Alternative zur Religion.' (Vom neuen Atheismus zum neuen Humanismus? - M. Schmidt-Salomon)
'Es wird ganz gewiss keine leichte Aufgabe sein, die humanistische Spreu vom humanistischen Weizen zu trennen, um es hier einmal mit biblischen Worten auszudrücken. Große Anstrengungen liegen vor uns sowohl auf theoretischem Gebiet (hier gilt es, den ideologischen Reinigungsprozess des Humanismus voranzutreiben, ein Prozess, der uns, wie ich im "Manifest des evolutionären Humanismus" aufzeigte, einen Abschied von liebgewordenen humanistischen Mythen abverlangt) als auch auf praktischer Ebene [...] .' ("Irgendwie sind wir doch alle Humanisten..." - M. Schmidt-Salomon)
Argumente gegen die soziobiologistischen Puppenspieler
Am deutlichsten kommt der antirationale biologistische Kern dieser Weltanschauung in der Diskussion des freien Willens zum Tragen.
'Der Mensch ist Teil eines hochkomplexen, chaotisch-deterministischen Gesamtsystems, innerhalb dessen er selbstorganisierend agiert. Dabei ist das Prinzip der Selbstorganisation nicht mit dem Prinzip der inneren Freiheit zu verwechseln. Die menschliche Selbstorganisation ist nicht frei, beliebig und unbegründet, sondern bestimmt durch die Geschichte der strukturellen Kopplungen, die das Individuum durchlebt hat. Die Einzigartigkeit der individuellen Geschichte struktureller Kopplungen bedingt dabei die Einzigartigkeit jedes menschlichen Individuums. Jeder Mensch lebt in seiner Welt, die er nicht beliebig konstruiert hat, sondern die das notwendige Resultat seiner geschichtlichen Erfahrungen ist. Ein Kernsatz des hier präsentierten "systemischen Kontextualismus" lautet daher: Wir können nicht wollen, was wir wollen, sondern wollen das, was wir aufgrund unserer Erfahrungen wollen müssen.
[...] die Persönlichkeit eines Menschen, dem wir das Etikett "antisozial" zuweisen, ist ebenso das Resultat struktureller Kopplungen, Ausdruck lebensgeschichtlicher Notwendigkeiten, wie dies bei einem Menschen der Fall ist, den wir als sozial-harmonische, "gereifte" Persönlichkeit bezeichnen. Der Menschenfreund Gandhi und der Massenmörder Hitler unterscheiden sich nicht darin, dass der eine den freien Willen besitzt und der andere nicht. Sie unterscheiden sich darin, dass sie von unterschiedlichen Zwängen befreit und damit unterschiedlichen Zwängen unterworfen sind. Wenn ein Mensch nicht humaner, also gerechter und liebevoller, mit seinen Mitmenschen umgehen will, so ist dies (in der hier vermittelten Perspektive) nicht Ausdruck seines freien Willens zum Inhumanen, sondern Ausdruck der komplexen Geschichte der strukturellen Kopplungen, die ihm in seinem Selbstorganisationsprozess widerfahren ist.' (Können wir wollen, was wir wollen? - M. Schmidt-Salomon)
'Zum Verständnis nicht nur des menschlichen Verhaltens, sondern des Verhaltens aller höher entwickelten Lebewesen ist es daher notwendig, auf eine weiter gefasste Definition zurückzugreifen, die Eigennutz ganz allgemein begreift als den biologisch vorgegebenen Drang zur Verwirklichung eigener Bedürfnisse.
Durch diese Definition wird nicht in Abrede gestellt, dass der im Sexualtrieb verankerte Drang zur Weitergabe der eigenen Erbinformationen ein weithin zu beobachtendes Metabedürfnis darstellt, noch wird in Frage gestellt, dass ein Großteil der Bedürfnisse aller Tiere (auch des Menschen) biologisch fest verankert sind. Es wird jedoch Raum geschaffen für das Verständnis der vielfältigen Möglichkeiten der Transformation von Bedürfnissen in kulturellen Zusammenhängen.' (Die Entzauberung des Menschen - M. Schmidt-Salomon)
'Selbstverständlich gelten im Bereich des Lebendigen alle Naturgesetze, die auch für nicht lebende Systeme gelten, nur werden diese durch ein weiteres, eben nur für lebende Systeme gültiges Naturgesetz ergänzt: das Prinzip Eigennutz. Ein Lebewesen kann sich über dieses spezielle Naturgesetz ebenso wenig erheben wie über das Gravitationsgesetz.' (Von der illusorischen zur realen Freiheit - M. Schmidt-Salomon)
'Wenn wir Menschen wie alle anderen Lebewesen der Naturkausalität, dem Wechselspiel von Ursache und Wirkung, unterworfen sind, kann es selbstverständlich keinen freien Willen im eigentlichen Sinne des Wortes geben. Das belegen auch zahlreiche neurobiologische Untersuchungen, die erstmals empirisch nachgewiesen haben, dass wir nicht wollen können, was wir wollen, sondern vielmehr wollen müssen, was uns unser Gehirn auf der Basis unbewusster, neuronaler Prozesse zu wollen vorgibt.' (Hoffnung jenseits der Illusionen? - M. Schmidt-Salomon)
Dieser biologistische Fundamentalismus ist zugleich irrational, absurd und zutiefst von totalitärem Denken geprägt.
Als atheistischer kritischer Rationalist beginne ich meine Kritik mit der Irrationalität und Absurdität dieser Aussage. Die Aussage - 'Ich habe keinen freien Willen' -, ist keine Aussage, sondern eine logischer Selbstwiderspruch, vergleichbar der Aussage - 'Diese Aussage, die sie gerade lesen, ist falsch' - sie ist scheinrationale Rhetorik, ein Zirkelverweis, der sich selbst widerspricht. Denn spätestens Kant hat aufgezeigt, dass der freie Wille die Voraussetzung ist, um überhaupt sinnvolle rationale Urteile fällen zu können, das heißt, die grundlegende Unabhängigkeit von angeschauter Dingwelt und urteilender Anschauung ist eine notwendige Grundvoraussetzung für die Möglichkeit der Rationalität. Die Aussage - 'Ich habe keinen freien Willen' - lautet deshalb vollständig - 'Ich habe keinen freien Willen, der die Voraussetzung dafür ist, dass ich ein Urteil darüber fällen kann, ob ich eine freien Willen habe.' -. Das heißt: Schmidt-Salomon versucht mit rationalen Urteilen die Möglichkeit rationaler Urteile zu widerlegen, das kann nicht funktionieren. Denn falls rationales Urteilen unmöglich ist (weil kein freier Wille existiert), ist damit auch die Beweisführung von Schmidt-Salomon nur noch sinnloses automatisches Geplapper ohne Beweiswert. Falls aber rationales Urteilen möglich ist, muss auch die notwendige Voraussetzung dafür, der freie Wille, existieren. Die Aussage - 'Ich habe keinen freien Willen' - ist ein nicht einmal eleganter, sondern platter Nonsens.
Menschen, die religiöse oder andere nicht rationale Weltanschauungen vertreten, könnten natürlich die Gültigkeit der rationalen Schlussfolgerungen Kants anzweifeln, Schmidt-Salomon nimmt aber für sich Rationalität in Anspruch, er muss sich damit auch an den notwendigen Voraussetzungen, die diesem Prinzip zu Grunde liegen, messen lassen.
Die Reduktion von Menschen auf mechanistische Hampelmänner und -frauen, die ihrer biologischen Programmierung in Wechselwirkung mit der Umwelt folgen, ist dabei auch in ihrer modernen biologistisch systemtheoretischen Fassung, auf die sich Schmidt-Salomon bezieht, nicht weniger menschenverachtend und totalitär als das alte Aufziehweckerbild vergangener mechanistischer Jahrhunderte.
Humberto Maturana, der wohl wichtigste biologische Systemtheoretiker, für den Menschen, bzw. alle Lebewesen, autopoietische Maschinen sind, hat sich konsequent auch selbst als Vertreter einer mechanistischen Weltsicht bezeichnet 1.
Schmidt-Salomon fasst Lebewesen als nach dem Prinzip Eigennutz selbstgesteuerte Systeme, dies macht die sichere Berechnung potenzieller Verhaltensweisen zwar aufgrund der zirkulären Wechselwirkungen (Das System Lebewesen/Mensch wirkt auf das System Umwelt zurück, die wiederum auf das System Lebewesen/Mensch wirkt) unmöglich, ändert aber nichts daran, dass Menschen hier auf durch funktionalistische Prinzipien determinierte Materiehaufen reduziert werden. Dass Schmidt-Salomon versucht, diesen selbst gesetzten biologistischen Determinismus durch diverse logische Verrenkungen im Nachhinein zu relativieren, macht die Sache nicht besser. So definiert er Handlungsfreiheit kurzerhand zum Gegensatz von Willensfreiheit um, und sein Freiheitsbegriff besteht darin, das Subjekt derart zu sozialisieren, dass es gezwungenermaßen 'das aus humanistischer Perspektive objektiv Verantwortliche anstrebt und das Unverantwortliche ablehnt', ohne dies als Zwang zu empfinden. Dieser 'evolutionär humanistische' Freiheitsbegriff ist das Gegenteil von Freiheit und vergleichbar anderen postmodernen Begriffskonstrukten wie der 'robusten Friedensmission'. Und in Abwandlung eines alten Spruchs der Friedensbewegung ist bzgl. der Grundvoraussetzungen für freie Handlungen anzumerken: - Ein bisschen Freiheit ist wie ein bisschen schwanger -. Freiheit setzt die Freiheit zur Entscheidung voraus, ohne Willensfreiheit gibt es keine Handlungsfreiheit.
Der Versuch Schmidt-Salomons, die autoritären Geister, die er hier ruft, zurück in die Flasche zu bannen, ist deshalb zum Scheitern verurteilt. Zwar kann man ihm selbst nicht vorwerfen, autoritäre Schlussfolgerungen zu fördern, er spricht sich auch in diesem Zusammenhang explizit für linksliberale Gesellschaftsmodelle aus, aber es gibt ausreichend andere Publizisten am rechten Rand, die dankbar die biologistische Vorlage für ihre gesellschaftlichen Forderungen aufgreifen und heute schon davon phantasieren, 'gefährliche' Menschen anhand ihrer neuronalen Muster bereits in der Kindheit auszusortieren, um sie in Umerziehungslagern einschließlich biochemischer Optimierung zu korrigieren. Die Mischung stalinistischer Umerziehungslager und der Brave New World Aldous Huxleys ist entsprechend diesem reduktionistischen Menschenbild nur schrecklich konsequent. Die Propagierung einer biologischen Kriminologie, die zumindest implizit in der Leugnung des freien Willens angelegt ist, ist verantwortungslos.
Mit Anarchismus ist ein solches Ideal einer Welt menschlicher biologischer Hampelmenschen nicht vereinbar, unabhängig davon, wie systemtheoretisch komplex ich dieses Hampelmenschendasein fasse. Das sollten sich all die klar machen, die diese biologistischen Argumentationen attraktiv finden. In der Argumentation der soziobiologistischen Fraktion ist der Anarchismus einer kulturalistischen Verkennung der biologischen menschlichen Realität geschuldet.
Nun fragen sich vielleicht einige, wie ich als kritischer Rationalist, der nicht an Geister, Seelen oder Götter usw. glaubt, von einer durch die materielle Welt nicht determinierten immateriellen Realität ausgehen kann. Ich würde die Frage umdrehen, wie kann mensch dies bestreiten?
Robert Kurz hat dies in einem kurzen Aufsatz am Beispiel der Sprache ausgeführt 2. Dasselbe - die selbe Bedeutung - kann in unterschiedlichen Zeichensystemen völlig unterschiedlich dargestellt werden und gleichzeitig gilt, dass dasselbe Zeichen in unterschiedlichen Bedeutungssystemen und Kontexten unterschiedliches bedeuten kann. Das heißt, die Bedeutung eines Zeichens ist unabhängig von Form und Materialität des Zeichens, die Bedeutung des Zeichens ist einzig und allein abhängig von der Verweisstruktur der Bedeutungen untereinander, sie wird in keiner Weise durch die Materialität oder Form der Zeichen determiniert. Dasselbe lautsprachliche Wort bedeutet in unterschiedlichen Bedeutungskontexten - unterschiedlichen Sprachen und Kontexten - unterschiedliches und gleichzeitig können unterschiedliche lautsprachliche Worte dasselbe bedeuten. Grundsätzlich muss zwischen Zeichen und Bedeutung differenziert werden.
Ich denke überwiegend sprachlich. Nun sind materiell - auch elektromagnetische Felder usw. gehören zum Materiellen - nur die Zeichen fassbar, diese sagen aber nichts aus über die Bedeutung. Ich bin beliebig frei, diese Bedeutungen anders, widersprüchlich, vielfältig zu setzen, völlig unabhängig von der Materialität meiner Hirnströme - des Zeichensystems - usw. Die einzige Einschränkung, der ich unterliege, ist der Bedeutungskontext, in dem ich mich bewege, dieser beruht auf der Vielfalt möglicher Erfahrungen, und das heißt wesentlich auf der Frage, inwieweit die Gesellschaft, in der ich lebe, Vielfalt und Freiheit zulässt. Ich bin aber in der Lage, auch davon unabhängig beliebige Zeichenbelegungen auszuprobieren und zu schauen, was dies an Bedeutung produziert. Ich gehe dabei aber das Risiko ein, von der Gesellschaft als wahnsinnig ausgegrenzt zu werden.
Das heißt, auf der materiellen Realität aufbauend hat sich als Metaebene, die nicht durch die Materialität determiniert wird, eine Ebene der Bedeutungspraxis, eine übergeordnete symbolische Struktur, ausgebildet - eine Sprachpraxis . Die Bedeutungspraxis ist dabei ein auf sich selbst verweisendes System, das zwar über die Anschauung mit der materiellen Realität verkoppelt ist, aber auch unabhängig von ihr nur auf sich selbst verweisend Bedeutung produzieren kann. Ich gehe mit Ludwig Wittgenstein davon aus, dass jeder Mensch seine eigene Bedeutungspraxis - Privatsprache - ausbildet, und dies in einem Raum der Freiheit des Spiels mit Bedeutungen, das nicht durch die Materialität determiniert wird, und dass es darum eine immaterielle, nicht determinierte Realität des Ichs gibt.
Das heißt, es lässt sich auch aus kritisch-rationaler Sicht eine immaterielle, durch die materielle Welt nicht determinierte Realität rational fassen. Die angeschaute Realität und die urteilende Anschauung sind NICHT deterministisch verkoppelt.
Dem widersprechen auch nicht die neurologischen Experimente, denn wenn ich ein Buch verbrenne, hört auch der Text auf zu existieren. Lösche ich in einem Text jeden vierten Buchstaben, oder bohre ich ein Loch in ein Buch, werde ich damit auch eine Wirkung erzielen, die die Bedeutung des Textes verändert.
Wenn ich Menschen mit Psychopharmaka u.a. behandele, erziele ich auch Wirkungen, deshalb aber zu glauben, dies würde beweisen, ich hätte etwas über die Bedeutungszuweisungen begriffen, ist ein Trugschluss.
Die naive Praxis der Ineinssetzung von Zeichen und Bedeutung, die die Neurologie betreibt, erinnert an den schizophrenen Bäcker, der Teig in einen Baum warf in der festen Überzeugung, auf diese Art und Weise Blätterteig herzustellen. Die Bedeutung ist vom Bedeutungskontext abhängig, nicht vom materiellen Zeichen. Wolf Singer, Schmidt-Salomon, usw. machen den naiven aber - populistisch - gern rezipierten Fehler, die Bedeutung von Zeichen absolut zu setzen, sie verwechseln Zeichensysteme mit einem Code. Und sie tun so, als gäbe es keine Bedeutungen und Sinnzuweisungen, sondern nur Materie.
Dies ist aber offensichtlich falsch.
Auch hier gilt natürlich wieder, dass dies eine Argumentation aus rationalistischer Sicht ist, und Menschen mit anderen Sichtweisen diese Schlussfolgerungen nicht teilen müssen. Rein rational ist damit aber die Möglichkeit des freien Willens bewiesen.
Außerdem sollten sich gerade kritisch rationale Menschen der Grenzen der Rationalität bewusst sein. Damit meine ich nicht, dass es irgendwelche absoluten Grenzen des kritisch rationalen Begreifens gäbe. Ich bin überzeugt, dass alles rational begreifbar ist. Aber zu jeder Zeit gilt auch, dass die Rationalität selbst Teil dessen ist, was wir kritisch rational weiter entwickeln müssen. Rationalität verändert sich im Laufe der Zeit, wird immer komplexer und umfassender und hebt dabei auch anfängliche Irrtümer auf, dies ist ein Prozess der immer unabgeschlossen sein wird. Das heißt, Rationalität ist und wird immer unvollkommen und irrtumsbehaftet sein. Es ist irrational, anzunehmen, dies würde für unsere heutige Rationalität nicht gelten.
Kritische Rationalität zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie sich ihrer eigenen Unvollkommenheit bewusst ist. Damit sind aber auch unsere heutigen rationalen Schlussweisen und Erkenntnisse unvollkommen und sicher ist nur, dass wir mit ihnen einen Großteil der Realität in ihrer Komplexität notwendigerweise verfehlen. Eine Alternative zu Esoterik und Reduktionismus ist ein Denken, das sich selbst als Gedachtes begreift, sich selbst immer wieder kritisch hinterfragt, also eine dialektische Rationalität oder eine literarische, ein Denken, das begreift, dass schon allein das Materielle in seiner unendlichen Vielfalt in den Vereindeutigungen einer mathematisch-naturwissenschaftlichen Praxis unmöglich vollständig repräsentiert werden kann.
Auch die reduktionistische Grundannahme der heutigen naturwissenschaftlichen Theorie, dass Materie sich eindeutig und widerspruchsfrei verhalten muss und keine Freiheiten zulassen darf, sollte als eben das begriffen werden: Als reduktionistische vereinfachende Grundannahme, die mit Sicherheit die Komplexität der Realität verfehlt. Dieser Reduktionismus ist durchaus sinnvoll, um funktionierende Maschinen zu konstruieren, Maschinen, die in einem klar definierten, eng begrenzten Rahmen funktionieren sollen, er führt aber in die Irre und in die Irrationalität, wenn es darum geht, Realität in ihrer vollen Komplexität jenseits der reduktionistischen Konstruktion von Maschinen zu begreifen.
Die GBS geriert sich in ihren Äußerungen gerne als Stimme der Unterdrückten und als Tabubrecherin, vergleichbar einem anderen neuen soziobiologistischen Vordenker Thilo Sarrazin, langjähriger Finanzsenator und nach Wowereit einflussreichster Politiker von Berlin. Mitglied der GBS sind aber eine nicht unbeträchtliche Zahl an Mitgliedern der deutschen und internationalen Nomenklatura, im Beirat sitzen z.B. Ingrid Matthäus-Maier , ehemalige stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, und Prof. Wolf Singer, langjähriger Direktor des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung. Im Kuratorium sitzt unter anderen Shiro Sonoda, langjähriger Vizepräsident der Mitsubishi International GmbH. Im März 2011 bezeichnete Shiro Sonoda die Berichterstattung über Fukushima als übertriebene Dramatisierung, die Situation wäre viel harmloser als in Tschernobyl.
Von unterdrückter Minderheit kann kaum die Rede sein.
Für eine differenzierte Sicht auf Religiosität
Als Atheist glaube ich selbst an keinen Gott und keine Seele. Religiöse Menschen sind mir vor allem dann suspekt, wenn die Religion ihnen als Fluchtpunkt einer vereinfachten Welterklärung dient und als Legitimation der Bevormundung anderer Menschen. Ich kenne aber auch viele ChristInnen, BuddhistInnen oder an Astrologie orientierte Menschen, für die dies nicht gilt. Für sie ist die Religion eher eine Aufforderung, sich immer wieder mit ihrer Umwelt und kritisch mit sich selbst auseinander zu setzen.
Und aus dem christlichen Glauben sind mir Überlegungen geläufig, die ich durchaus auch als Atheist interessant finde:
- Den 'Respekt vor der Schöpfung' finde ich sinnvoll, obwohl ich nicht an eine Schöpfung glaube, aber übersetzt als Respekt gegenüber der unerschöpflichen Komplexität des Lebens und des Seins der Welt, als Bewusstsein dafür, wie wenig wir wissen, ist dies für mich, z.B. bezüglich der Genetik, bzw. bezüglich der modernen Biowissenschaften, eine politisch und rational leider viel zu selten anzutreffende Einstellung. Die meisten NaturwissenschaftlerInnen neigen leider gerade in den heute so hübsch euphemistisch als Lebenswissenschaften bezeichneten Fächern zu einer völlig größenwahnsinnigen Selbstüberschätzung und Überschätzung der Aussagekraft ihrer Forschungen (Prof. Wolf Singer, der GLAUBT, er könne mit Hilfe moderner Messtechnologie die Existenz des freien Willens widerlegen, ist da nur ein Beispiel unter vielen);
- Auch die 'Gleichheit der Menschen vor Gott', in der Formulierung der französischen Revolution übersetzt als 'Gleichheit der Menschen' ohne Gott, ist für mich nach wie vor eine zentrale politische Forderung (und bis heute unerfüllt, angesichts brutaler Grenzregime und des expliziten und impliziten Sexismus und Rassismus von Gesellschaften, der kapitalistischen Ausbeutung, u.a.).
- Das 'Liebe Deinen Nächsten' ist, übersetzt als Aufforderung zur Solidarität und zur gegenseitigen Hilfe, ein Grundmoment anarchistischer Praxis.
- Und auch ein Zitat von Luther wie 'Warum rülpset und pfurzet Ihr nicht?', mit dem er die Puritaner kritisiert hat, ist mir einfach sympathisch.
Das heißt, obwohl ich nicht an Gott, Seele, usw. glaube, sehe ich durchaus positive Bezugspunkte in den Religionen.
Gleichzeitig sind auch viele negative Aspekte zu berücksichtigen, so driften die Großkirchen seit zwei Jahrzehnten immer weiter nach rechts, statt Friedensgruppen geben heute Militärgottesdienste für 'unsere Soldaten' den Ton in der evangelischen Kirche an und in der katholischen Kirche wird die Befreiungstheologie vom Papst totalitär unterdrückt. Als größter nichtstaatlicher Arbeitgeber (Pflegedienstleistungen, Kindergärten, etc.) haben die Kirchen in den letzten zwei Jahrzehnten außerdem eine systematische Asozialisierung der Beschäftigungsverhältnisse betrieben und haben Teil an der McKinseyisierung der Ausbeutungsverhältnisse in Deutschland (dies betrifft z.B. befristete Arbeitsverhältnisse, Niedriglöhne, Unterbindung gewerkschaftlicher Organisation, Streikverbote, usw.). Für diese Form menschenverachtender, asozialer und gewerkschaftsfeindlicher Praxen einschließlich der Bespitzelung des Privatlebens von MitarbeiterInnen instrumentalisieren sie rücksichtslos ihren Sonderstatus als Religionsgemeinschaft.
Dies ist aber nicht einzelnen sich christlich definierenden Menschen vorzuwerfen, allerdings halte ich es inzwischen für einen Widerspruch, ChristIn und Mitglied in diesen Kirchen zu sein.
Die Angst vor der Freiheit
Was die jüngere Geschichte angeht, erscheinen mir Ersatzreligionen, insbesondere die, die sich wissenschaftliche Weltanschauung nennen, als mindestens ebenso gefährlich, wie klassische religiöse Fundamentalismen.
(Natur)Wissenschaften und Weltanschauungen durcheinander zu werfen ist eine zutiefst antiaufklärerische ideologische Praxis.
(Natur)wissenschaftliche Theorien sind eben das: Theorien und kein absolutes Wissen. Wenn sich etwas aus der Geschichte lernen lässt, dann dass alle naturwissenschaftlichen Theorien, die irgendwann aufgestellt wurden, sich früher oder später als falsch erwiesen haben. Es ist extrem naiv zu glauben, dass dies für die heutigen (natur)wissenschaftlichen Theorien in 500 Jahren nicht genauso sein wird. Die Menschen im Jahr 2511 werden vermutlich nur ein spöttisches Lächeln für die obskuren Vorstellungen ihrer Vorfahren übrig haben. (Natur)Wissenschaftliche Theorien sind Ausdruck der Interpretation des empirischen Wissens unter dem Eindruck der Weltanschauungen ihrer Zeit. Die Weltanschauungen sind der (natur)wissenschaftlichen Theorie vorgängig und fließen in sie ein. Diese Vorurteilsbehaftetheit der (Natur)Wissenschaften gilt insbesondere für die (Natur)Wissenschaften vom Menschen, also z.B. für Neurologie oder Biologie.
(Natur)Wissenschaftliche Theorien sind eines mit Sicherheit nicht: Ein fester Grund auf den sich Werturteile stützen können. Sie sind zeitgebundene Werkzeuge, mehr nicht, und meinen Hammer frage ich normalerweise auch nicht, wo ich das Bild hinhängen soll. Werturteile sind eben deshalb Werturteile, weil ich sie treffen muss, weil sie eben nicht vom Himmel fallen und weil sie auch nirgends in der Natur unter einem Stein oder in einer DNA zu finden sind. Ich muss mich entscheiden und bin verantwortlich für meine Entscheidung! Werturteile sind untrennbar mit der Weltanschauung und dem Menschenbild verbunden, für das ich mich entscheide. Das heißt, in dem ich mich für ein spezifisches Menschenbild, eine spezifische Weltanschauung entscheide (z.B. eine bestimmtes anarchistisches Welt- und Menschenbild, ein bestimmtes christliches Welt- und Menschenbild, ein bestimmtes soziobiologistisches Welt- und Menschenbild, u.a.), lege ich mich auch auf bestimmte Werturteile fest. Für diese Entscheidung bin ich verantwortlich. Und mit ihr treffe ich vor allem eine Aussage darüber, in welcher Welt ich leben möchte, wohin ich will.
Das Fatale bei religiösen FundamentalistInnen und den VertreterInnen wissenschaftlicher Weltanschauungen (also z.B. der GBS) ist, dass sie diese Verantwortung bestreiten und entsprechend einem inhuman verantwortungslosen Handeln den Boden bereiten. Religiöse christliche FundamentalistInnen reden sich dabei auf den Wortlaut der Bibel heraus, die sie ja nicht interpretieren, sondern als Wort Gottes nur ausführen würden, die AnhängerInnen wissenschaftlicher Weltanschauungen reden sich nicht auf die Bibel, sondern auf die Gesetze der kapitalistischen Entwicklungsdynamik oder auf die Gesetze der Natur heraus.
Dabei sind große Teile der modernen soziobiologistischen Forschung nicht wesentlich seriöser als die klassische Rassenbiologie. So wird vom Tier auf Menschen projiziert und umgekehrt (Z.B. 'Homosexualität' bei Fruchtfliegen), es wird aus der Untersuchung einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Menschen auf die Menschheit geschlossen (z.B. einige Dutzend oder hundert Gefängnisinsassen in Großbritannien), es werden Tests verwandt, die kulturelle und soziale Festlegungen vorab einschreiben (z.B. ein Test zur systematischen Intelligenz, in dem das Interesse an Motorrädern und Computern mit systematischer Intelligenz verknüpft wird, der aber keine einzige Frage zu Linguistik oder Philosophie oder gar zu relevanten Inhalten anderer Kulturen enthält), usw.
Kaum eine der soziobiologischen Untersuchungen genügt auch nur den minimalsten Anforderungen an sozialwissenschaftliche Statistik und die wenigen, die diesen Anforderungen genügen, kommen zu keinen aussagekräftigen Ergebnissen. In einem geschlossenen Verweiskartell von WissenschaftlerInnen, die sich gegenseitig ihre Wissenschaftlichkeit mit tatkräftiger Unterstützung neoliberaler Medien und Politik, deren ideologische Interessen hier bedient werden, bestätigen, spielt dies aber für den Erfolg keine Rolle. Auch in diesem Punkt folgt diese Wissenschaft ihrer Vorläuferin, der Rassenbiologie.
In einem erheblichen Teil der Texte funktioniert dabei die Argumentation der Soziobiologie vergleichbar der Prädestinationslehre des protestantischen Fundamentalismus.
Die Prädestinationslehre geht davon aus, dass es von Geburt an von Gott auserwählte Menschen gibt und dass sich dieses Auserwähltsein durch Gott im weltlichen Erfolg zeigt. Letztendlich wird damit die extreme Klassengesellschaft der USA durch den fundamentalistischen Protestantismus göttlich legitimiert. Die Differenz zwischen arm und reich wird umgekehrt zum Beleg der Auserwähltheit durch Gott.
Die Soziobiologie nimmt die vorhandenen sozialen, sexistischen und rassistischen Unterschiede und erklärt sie zum Beweis der biologischen Differenz um, argumentiert wird hier wie in der Prädestinationslehre, die Unterschiede werden zum Beweis ihrer Legitimität, nur diesmal erfolgt die Auserwähltheit nicht aus Gott, sondern aus dem an seine Stelle gesetzten biologischen Determinismus. Letztendlich ist die Soziobiologie eine säkularisierte Form der Prädestinationslehre, also säkularisierter protestantischer Fundamentalismus. Da ist es nicht verwunderlich, dass eine an diesem Gedanken orientierte Stiftung wie die GBS zur fundamentalistischen Missionierung neigt.
Der liberalere Teil der modernen SoziobiologInnen und die GBS, welche diese Theorien aufgreift, weisen den Vorwurf der strukturellen Verantwortungslosigkeit jedoch explizit von sich.
'Aus einem unterstellten "empirischen Sein" lässt sich nun einmal kein "Seinsollen" ableiten. Wir können unsere ethischen Werte daher nicht unreflektiert aus unserer Naturerkenntnis "herausdestillieren".' (Auf dem Weg zur Einheit des Wissens - M. Schmidt-Salomon)
Für die modern gewendeten liberalen AnhängerInnen dieser 'wissenschaftlichen' Weltanschauung beinhaltet z.B. die Behauptung, bestimmte Formen sexueller Gewalt von Männern gegenüber Frauen hätten eine ausgeprägte genetische Komponente und wären Ergebnis einer evolutionären Überlebensstrategie (der egoistischen Gene), keine Befürwortung dieser Gewalt, sondern lediglich die Beschreibung einer 'wissenschaftlichen Tatsache'. Real geht es ihnen auch nicht um die Legitimation dieser sexueller Gewalt, sie begreifen ihre biologistische Erklärung vielmehr als Hilfe, um entsprechend biologistische Lösungsstrategien zu entwickeln. Entscheidend ist das Wort 'unreflektiert' im Zitat oben, damit sagt Schmidt Salomon umgekehrt, das es reflektiert durchaus sinnvoll sei, die 'ethischen Werte'...'aus unserer Naturerkenntnis heraus(zu)destillieren'.
Die Verantwortungslosigkeit liegt hier nicht darin, Vergewaltigung zu legitimieren, sondern in der Ausblendung der sexistischen Machtverhältnisse, die nichts mit Biologie zu tun haben, aber den Kern der Gewalt ausmachen, die ein Vergewaltiger ausagiert. Diese Machtverhältnisse werden zum Ausdruck von Naturtatsachen erklärt. Die Wertung entsteht nicht dadurch, dass eine Naturtatsache als richtig dargestellt wird, sondern dadurch, dass eine soziale politische Verhaltensweise zur Naturtatsache erklärt wird, die dann als Grundlage für jede Handlungsoption anzusehen ist. Die Verantwortungslosigkeit liegt hier in der Flucht vor der Verantwortung für die Geschlechterverhältnisse insgesamt. SoziobiologInnen entscheiden sich mit ihrer Entscheidung für das biologistische Weltbild, für eine biologistische gesellschaftliche Utopie. Sie tun aber so, als wäre dies keine Entscheidung, sondern lediglich eine Einsicht in die natürlichen Gegebenheiten.
Hier unterscheiden sie sich nur marginal von den VertreterInnen der 'wissenschaftlichen Weltanschauung', mit der sich AnarchistInnen seit nun mehr als 150 Jahren auseinandersetzen müssen, dem Marxismus, nur dass SoziobiologInnen mit Naturtatsachen argumentieren, wo MarxistInnen sich auf die Entwicklungsgesetze des Kapitalismus beziehen.
Beide gehen von einer höheren Einsicht aus, die ihnen die Legitimität verschafft, absolute Aussagen zu machen. Entsprechend erscheint es dann auch legitim, das Lebensrecht anderer Menschen in Frage zu stellen, wenn die WISSENSCHAFTLICHE RATIONALITÄT es erfordert.
Dass es sich hier um fundamentalistische Religionen handelt, zeigt sich auch im an die Wachturmgesellschaft erinnernden missionarischen Eifer soziobiologistischer Blogs und Foren und in der simplifizierenden Weltsicht, in der alles und jedes auf einige einfache Glaubenssätze zurückgeführt wird (Bibel / soziobiologistisches Eigennutzprinzip etc.). So wird auf soziobiologistischen Webseiten jede menschliche Regung auf Biologie reduziert; hier unterscheiden sich SoziobiologInnen marginal von ihren fundamentalistischen christlichen Brüdern und Schwestern, nur das sie statt dem Wort Gottes die Biologie als All-Argument instrumentalisieren. Bei beiden zeigt sich in diesen Formen der Realitätsflucht vor allem eines: Die Angst vor der Komplexität der Welt und vor der eigenen Verantwortung für das eigene Handeln.
Meistens dominieren simple Schwarz-Weiß-Zeichnungen die Argumentationen. Das dürfte einen nicht unerheblichen Teil der Attraktivität dieser Ideologie für Colin Goldner ausmachen, bevorzugt er doch selbst in seiner Kritik des Dalai Lama die Vermeidung differenzierter Argumentationen und nimmt lieber Zuflucht bei einfachen, holzschnittartig reduzierten Sichtweisen auf komplexe gesellschaftliche Verhältnisse (Ich verweise hier auf den Tibetartikel in der graswurzelrevolution 337 - 'Heimat = Shangri-La? Die Tibetfrage & Neonationalismus in Deutschland und anderswo' -).
Akzeptanzbeschaffung für Rechtsaußen
Nun gibt es sicher eine Reihe LeserInnen, die dies als überzogene und unfaire Kritik an der GBS ansehen, da die GBS doch liberale Positionen vertritt und für den Aufgriff soziobiologistischer Theorie in der neurechten Mitte der Gesellschaft in den Blogs der IslamhasserInnen und Sarrazin-Fans nicht verantwortlich sei. Wieso räumt die GBS dann zwei Texten, die eindeutig genau auf diese rechte Klientel zielen, Raum auf ihren Webseiten zum Darwinjahr ein? Verantwortlich im Sinne des Presserechts für diese Seiten zeichnet 'Dr. Michael Schmidt-Salomon (Giordano-Bruno-Stiftung)'.
Ich möchte zum Schluss dieses Textes deshalb einige Zitate aus jenen Texten für sich selbst sprechen lassen. Die Texte haben die Titel: 'Die Unterdrückung der Intelligenzforschung' und 'Werden Fanatiker die Zivilisation einnehmen?'. Zum ersten Text merkt die GBS an, dass der Text nicht ihre Position wiedergibt, für diskussionswürdig hält sie ihn aber scheinbar trotzdem, beim zweiten Text gibt es nicht einmal diese Einschränkung.
'Intelligenz ist zu 50-80% vererbt [...]
Soziale Klassenunterschiede sind teilweise in genetischen Unterschieden im IQ begründet. [...]
Der Durchschnitts-IQ der in Lynns Buch untersuchten Länder korreliert stark mit dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf [...]
Schwarze und Weiße decken die gesamte Bandbreite dessen ab, was "normale Intelligenz" genannt wird (IQ 70-130). Lediglich im Durchschnitt liegt die Gaußkurve der Schwarzen um 15 Punkte niedriger als die der Weißen.' (Die Unterdrückung der Intelligenzforschung - 2010)
'Religiöse Menschen haben tendenziell mehr Kinder als Atheisten, aber fundamentalistische Parallelgesellschaften wie jene von Pfingstlern, von ultraorthodoxen Juden, die Gemeinden der Amischen und jene von orthodoxen Muslimen bringen obendrein signifikant mehr Nachwuchs hervor als moderate Gläubige.
Wird der Westen fundamentalistisch? [...]
Auch wenn man sämtliche Gegenmaßnahmen ergreifen würde, die Thilo Sarrazin in "Deutschland schafft sich ab" (S. 378-90) vorschlägt, wäre das nicht genug. [...]
Eric Kaufmann schreibt sogar: "Islamistische Muslime haben den Kulturkrieg im größten Teil der muslimischen Welt gewonnen und ihr Erfolg ermöglicht einen flüchtigen Eindruck, was dem christlichen Westen und Israel noch bevorsteht". In Israel befürchtet Kaufmann eine Übernahme durch ultraorthodoxe Juden.
Der Iranstämmige Professor Darren Sherkat zeigt sich im Kommentarbereich des Blogs von Tom Rees, beide Religionsforscher, ebenso pessimistisch: "Wir haben es immer wieder in vielen Nationen beobachtet, der Iran ist der offensichtlichste Fall – fundamentalistische Spinner aus dem Hinterland überbrüten alle anderen und übernehmen dann."' (Werden Fanatiker die Zivilisation einnehmen? - 2010)
Zur Klarstellung noch eine Anmerkung zum Schluss. Ich gehe weder davon aus, dass alle AtheistInnen rechtes Gedankengut stützen (ich bin selbst Atheist), noch gehe ich davon aus, dass Antispezieismus automatisch als rechte Ideologie anzusehen ist (mir sind auch Positionen bekannt, die sich z.B. auf Haraway und poststrukturalistische Theorien stützen).
Ich fordere aber eine klare Grenzziehung und Kritik gegenüber der Soziobiologie, der GBS, Peter Singer, Colin Goldner u.a. ein.
Jörg Djuren
Der Artikel wurde in gekürzter Fassung erstveröffentlicht in der graswurzelrevolution 366 (Februar 2012).
Zum Abschluss noch zwei Textempfehlungen:
- 'Kritik der Systemtheorie, Systembiologie, Kybernetik, Chaostheorie, Spieltheorie' - Jörg Djuren / Olaf Weiss / Uwe Wendling - Berlin 2004 - http://www.ak-anna.org/naturwissenschaftskritik_alternativen/chaostheorie.htm
- 'Kritik der Hirnforschung' - Christine Zunke - Berlin 2008
Wider die Anpassung an Herrschaftsverhältnisse - J.Djuren
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Impressum: Paula & Karla Irrliche
Zuletzt aktualisiert 30.10.14
Die Grünen. KonterreformistInnen, Überlegungen zum Scheitern und Zusammenbruch der Grünen als emanzipatorische Kraft - Text über; Reformismus Grüne Partei Rechtsruck Militarismus Militaristen Militaristinnen Kriegstreiber Neoliberale Reformisten