J.Djuren


Den Saarbergbau weiterbetreiben aus ökologischen und sozialen Gründen?


Auf Grund des Bebens im Saarland versuchen die Parteien von SPD, über die Grünen und die FDP bis hin zur CDU den Kohlebergbau an der Saar zu beenden.
Die Kohleförderung in Deutschland ist nur durch Zuschüsse aufrecht zu erhalten. Aus einer neoliberalen Sicht, die sich rein am Preis orientiert, macht die Schließung der Gruben an der Saar also Sinn. Genannt werden aber, vor allem von den Grünen, aber auch von SPD und CDU, andere Gründe. Angeführt werden die ökologischen Folgen für das Saarland und die Folgen für die lokale Bevölkerung (z.B. Bauschäden durch Absenkung usw.). Die Schließung wird als ökologischer Gewinn verkauft.
Real stellt sich aber die Frage, ob es sich hier nicht eher um Öko- und Sozialdumping handelt, denn die saarländische Kohle wird durch Importkohle ersetzt, die in der Regel unter ökologisch und sozial sehr bedenklichen Bedingungen gefördert wird, und zumindest sozial unter Bedingungen, die viel schlechter sind als im Saarland. Das Öko- und Sozialdumping bei der Förderung dieser Kohle ist in den meisten Fällen gerade der Grund dafür, dass sie so 'billig' ist. Die Folgen für die Umwelt und die Menschen in den Förderregionen werden ausgeklammert. Insbesondere die Grünen verfahren hier nach dem Prinzip; "Aus den Augen aus dem Sinn". Ob anderswo die Menschen brutal ausgebeutet, vertrieben und ermordet werden, ob anderswo Flüsse vergiftet werden, interessiert die saarländischen grünschwarzroten ParteilobbyistInnen nicht.

Kohle ist in Deutschland ein wichtiger Träger der Energiegrundversorgung. Grundsätzlich ist eine Politik notwendig die mittel- bis langfristig die Kohle durch regenerative Energien und Energieeinsparung ersetzt. Dies wird aber selbst bei massiver politischer Umsteuerung, die bisher nicht stattfindet, einige Jahrzehnte dauern, insbesondere dann, wenn gleichzeitig die AKWs stillgelegt werden sollen. Natürlich ist es notwendig hier weiter politischen Druck aufzubauen für die Förderung eines energiepolitischen Umbaus. Nur bis dahin wird Deutschland weiter Kohle verbrauchen. Die Frage bis dahin ist also nicht, ob Kohle gefördert werden soll, sondern nur, wo und unter welchen Bedingungen?
2003 importierte Deutschland Kohle [1] aus Polen (ca. 33% der Einfuhr), Südafrika (ca. 19%), Kolumbien (ca. 11%), GUS (ca. 9%), Australien (ca. 8%). Die Quoten schwanken zwar von Jahr zu Jahr, grundsätzlich sind dies aber für Deutschland die wichtigsten Regionen aus denen Kohle importiert wird. Um zu begreifen, was eine Reduktion der Förderung in Deutschland sozial und ökologisch bedeutet, muss mensch die Situation der Kohleförderung in diesen Regionen betrachten. Zum Teil (Südafrika / Australien / Kolumbien) wird die Kohle hier im Tagebau wesentlich kostengünstiger abgebaut als in Deutschland, um die realen gesellschaftlichen Gesamtkosten vergleichen zu können, müssen aber auch soziale und ökologische Folgen unter den gegeben realen politischen Bedingungen berücksichtigt werden und der Transport, teils um die halbe Welt.


Polen

In Polen wird die Steinkohle unter ähnlichen geologischen Bedingungen wie in Deutschland im Tiefbergbau abgebaut. Die Kohlereviere gelten als ökologische Katastrophengebiete. Die Arbeitslosigkeit liegt aber gleichzeitig bei über 30%, die Menschen sind vollständig vom Kohlebergbau abhängig. Eine ausreichende soziale Absicherung bei Arbeitslosigkeit existiert nicht. [2] Mangels Investitionen ist es im letzten Jahrzehnt zu mehreren teils schweren Unfällen gekommen. Die polnische Steinkohle ist vor allem auf Grund des Öko- und Sozialdumpings im Vergleich zur saarländischen Steinkohle billig. Da die polnische Kohle teils einen erheblich höheren Schwefelgehalt hat ist ihr Einsatz unter ökologischen Gesichtspunkten zusätzlich bedenklich. [3]


Südafrika

In Südafrika wird zur Zeit der Tagebau in die Einzugsgebiete wichtiger Flüsse ausgeweitet. Die Genehmigungsbehörden setzen sich auf Grund wirtschaftlicher Interessen über ökologische Risiken hinweg. Langfristig werden katastrophale Folgen für Teile des südafrikanischen Ökosystems und die Trinkwasserversorgung befürchtet. [4]


Kolumbien

In Kolumbien arbeiten die internationalen Minenkonzerne mit Todesschwadronen zusammen um kritische Gewerkschafter einzuschüchtern bzw. zu ermorden, und um die indigene Bevölkerung zu vertreiben, um Platz zu schaffen für den Tagebergbau, Transportwege, Hafenbauten. [5] Ökologisch sind die Folgen so katastrophal, dass sowohl bisherige landwirtschaftliche Nutzungen, als auch Fischereinutzung im Umfeld der Abbaugebiete nicht mehr möglich sind. An der Kohle aus Kolumbien klebt Blut. An ihr verdienen vor allem internationale Minenkonzerne und die korrupte kolumbianische Oberschicht. [6]
Unter ökologischen Gesichtspunkten ist zusätzlich der lange Transportweg zu berücksichtigen. Bzgl. der kolumbianischen Kohle von Öko- und Sozialdumping zu sprechen ist leider noch ein Euphemismus.


GUS

Da hier nur die GUS (Nachfolgestaaten der Sowjetunion) pauschal angegeben sind, ist eine detaillierte Bewertung schwierig. Grundsätzlich gilt für die meisten Kohlefördergebiete eine ähnliche Situation wie in Polen, nur in zugespitzter Form (mehr Unfälle, stärkeres Sozialdumping, noch geringere Beachtung ökologischer Folgen). [7] Außerdem gibt es in der GUS zum Teil Repression bis hin zu Mord sowohl gegen gewerkschaftlichen AktivistInnen als auch gegen kritische UmweltaktivistInnen.
Auch hier resultiert der Preis also auf Öko- und Sozialdumping.


Australien

Australien ist von allen Ländern aus denen Deutschland in großen Mengen Kohle importiert das einzige Land mit vergleichbaren Sozialstandards. Auch die Umweltstandards sind höher als in den anderen genannten Ländern. Da Australien aber von den Minengesellschaft vollständig abhängig ist, da der Export von Rohstoffen die Haupteinnahmequelle der australischen Wirtschaft ist, kommt der Staat in vielen Punkten den Minengesellschaften sehr weit entgegen. [8] Genannt werden müssen hier Konflikte mit Aborigenes um Landrechte und ökologisch höchst zweifelhafte Entscheidungen. So gab es z.B. eine Auseinandersetzung um die Ausweitung der Kohleförderung (Tagebau) in die Quellgebiete eines der für die Trinkwasserversorgung von Sydney wichtigen Flusses. [9]
Für die Importkohle aus Australien gilt außerdem noch mal verstärkt die Frage nach den ökologischen Kosten des Transports einmal um den halben Globus.


Angesichts dieser ökologischen und sozialen Realitäten unter denen die Importkohle gefördert wird, ist es aus ökologischer und sozialer Sicht zumindest fragwürdig den Bergbau im Saarland einzustellen. Sinnvoller erscheint, klare und hohe ökologische und soziale Standards im Saarland festzuschreiben und klare Entschädigungsregelungen für Bergbaubetroffene festzulegen. Eine Gesellschaft, die Kohle verbraucht, sollte die ökologischen und sozialen Folgen der Kohleförderung auch selbst tragen und sie nicht auf andere Gesellschaften abwälzen. Die Forderung muss sein, jede Form der Energiegewinnung mit ihren gesamten ökologischen und sozialen Folgekosten zu belasten. Solange Kohle in Deutschland verbraucht wird, muss die Forderung sein, den Kohlebergbau so ökologisch und sozialverträglich wie möglich zu gestalten. Dies dürfte bei Importkohle kaum zu gewährleisten sein. Billig ist dies nicht zu haben.
Die HausbesitzerInnen im Saarland können entschädigt werden für Schäden und Wertverluste, dies muss auch geschehen, die Betroffenen in Kolumbien haben kaum eine Chance ihr Recht zu bekommen.

Die 'Lösung' Kohleimport mit dem damit einhergehenden Export der ökologischen Folgeprobleme der Kohleförderung erinnert zu sehr an die 'Lösung' des Atommüllproblems durch den Export des Atommülls nach Russland.
Die Bergwerksbeschäftigten sollten sich selbst für ökologische Forderungen einsetzen. Anfang des Jahrhunderts streikten anarchosyndikalistisch organisierte spanische MühlenarbeiterInnen dafür, dass das Mehl nicht aus Kostengründen verunreinigt verkauft wurde, sie streikten für die Qualität, des von ihnen produzierten Produktes. Wieso sollten Bergwerkbeschäftigte nicht auch für einen ökologisch optimierten Kohleabbau kämpfen. Die Fragen von Ökologie und Verteilungsgerechtigkeit sind kaum noch zu trennen. Es sind die unteren Einkommensgruppen, die ökologischen Katastrophen handlungsunfähig ausgeliefert sind. Die Mittel- und Oberschicht zieht in unbelastete nicht gefährdete Wohngebiete um.



Jörg Djuren


Texte zur Umweltpolitik - J.Djuren


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Fußnoten

Fußnote 1: Wochenbericht des DIW - Berlin, 7/04 - http://www.diw.de/deutsch/produkte/publikationen/wochenberichte/docs/04-07-1.html

Fußnote 2: Polen, Kampf um jede Kohle - MDR - Nachrichtenmagazin exakt vom 07.03.2006 - http://www.mdr.de/exakt/2593333.html

Fußnote 3: Tod für Hungerlohn - Die Zeit - Hamburg, 24.6.2006 - http://www.zeit.de/online/2006/48/Polen

Fußnote 4: Coal mining plans put fresh water at risk - http://www.environment.co.za/topic.asp?TOPIC_ID=1660 - 10 February 2008, 09:07 - Source: http://www.sundayindependent.co.za/?fSectionId=&fArticleId=vn20080210084612303C164061
South Africa: High Stakes Battle Between Mining and Environment - Steven Lang (IPS Inter Press Service News Agency) - Jonnesburg, 30 Sep 2007 - http://ipsnews.net/news.asp?idnews=39470

Fußnote 5: Forced Displacement at the El Cerrejon Norte Mine - Mineral Policy Institute - Sydney, 24 Nov 2005 - http://www.mpi.org.au/campaigns/rights/el_cerrejon
El Cerrejon - Mineral Policy Institute - Sydney, 11 Oct 2004 - http://www.mpi.org.au/campaigns/indigenous/el_cerrejon/

Fußnote 6: The Cost of Power, Coal Mining and Human Rights in Colombia - Academia Do Sonho - 17. März 2008 - http://academiadosonho.blogspot.com/2008/03/cost-of-power-coal-mining-and-human.htm

Fußnote 7: Todesmut für Kohle - MDR - Magazin Windrose vom 18.01.2004 - http://www.mdr.de/windrose/archiv/1156745.html

Fußnote 8: Up in Smoke, Australian Coal Exports to South East Asia - MineralPolicy Institute (http://www.mpi.org.au/), Climate Action Network Australia and Greenpeace - Sydney, Oktober 2002 - http://www.mpi.org.au/attachment/d016df19778a7c563cd1c99afe29c43a/
49a6bd414b457a4d20f4f4ae5e383922/up_in_smoke_coal_report.pdf


Fußnote 9: BHP Billiton faces shareholder concern over irresponsible conduct across four contients - MineralPolicy Institute - Sydney, 2005 - http://www.mpi.org.au/companies/bhpb/bhp_agm_2005/

















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Zuletzt aktualisiert 30.10.14





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