Annemarie Arndt
fit for fun
oder
Arbeit macht
Spaß
Theaterstück
in einem Aufzug
Die Personen des
Stückes
Prolog & Abschluß
Eine Sekretärin
1. Akt
Der Seminarleiter, die Frau, Herr Meyer,
Frau Kuntze, Herr Buchner, Frau Hagenoth, ein weiterer männlicher
Seminarteilnehmer
Prolog
An einem
Schreibtisch vor einem Bildschirm sitzend eine Sekretärin, Daten
eingebend.
Die
Sekretärin liest laut aus Stellenanzeigen vor beim Tippen.
Sie
steht auf geht auf den Bühnenrand zu, nach einem prüfenden Blick
über das Publikum: Sie müssen zuerst Nummern ziehen. So bringt das
Rumsitzen gar nichts.
Sie geht zum
Tisch ordnet einige Papiere
Zum
Publikum gewandt: Glauben Sie man nicht, daß wir bei Ihnen eine Ausnahme
machen.
Sie geht ab.
1. Aufzug
Ein Seminarraum
mit Tischen und Stühlen für ca. 30 Personen. Einige Tische und
Stühle sind beiseite geschoben.
Einige Tische
sind in einem Rechteck aufgestellt. Über der Tür hängt im
Halbrund der Schriftzug 'Arbeit macht Spaß'.
An der Kopfseite
sitzen zwei Männer und eine Frau, an den Seiten links und rechts ein Mann
und eine Frau.
Der
Seminarleiter sitzt an der Seite etwas abseits
Es
klopft, mehrere der Sitzenden rufen: Ja.
Einige
auch: Herein.
Eine Frau tritt
ein.
Herr Meyer, der
Mann in der Mitte an der Kopfseite, begrüßt sie: Guten Tag, - Frau
?
Die Frau: Frau .. .
Herr Meyer
unterbricht, weist auf einen Stuhl an der gegenüberliegenden Seite: Setzen Sie sich
doch.
Die Frau: Danke - nach einem kurzen Zögern und
Blick in die Runde zu den Anderen - Guten Tag.
Die Anderen
grüßen zurück.
Der
Seminarleiter notiert sich etwas.
Herr Meyer: Sie waren zuletzt
arbeitslos?
Die Frau: Ja, wegen der
Kinder.
Frau Kuntze, die
Frau an der rechten Seite: Dann ist es schon länger her, daß Sie in
Ihrem Beruf gearbeitet haben.
Die Frau: Oh ich habe immer
noch die Buchhaltungsaufgaben für die Kindergruppe erledigt, und eine
Weiterbildung.
Herr Meyer: Das war eine
Qualifikation vom Arbeitsamt.
Herr Buchner,
der Mann neben Herrn Meyer: Mußten Sie dafür etwas bezahlen?
Die Frau: Nein, die Kosten
hat zum Glück das Arbeitsamt übernommen.
Der Seminarleiter macht kontinuierlich
weiter Notizen
Frau Kuntze: Was macht Ihr
Mann?
Die Frau: Der ist in einem
größeren metallverarbeitendem Betrieb beschäftigt.
Frau Kuntze: Und Sie versorgen
die Kinder - das ist aber eine ganz schöne zeitliche Belastung. Geht denn
das mit der Arbeit?
Die Frau: Deshalb habe ich
mich ja um eine Halbtagsstelle beworben.
Herr Meyer: Sie wissen aber
das wir auf große Flexibilität unserer Mitarbeiter wert legen.
Die Frau: Zur Not ist da
auch noch die Schwiegermutter.
Herr Buchner: Ja, wenn wir die
nicht hätten, daß sagt meine Frau auch immer - aber die werden auch
immer älter.
Die Frau: Die ist noch sehr
jung.
Frau Hagenoth,
die Frau an der Kopfseite, lacht freundlich: Früh übt sich wer ein
Meister werden will, Sie waren ja auch noch recht jung bei Ihrem ersten Kind.
Die Frau: Ja, das hat sich damals so ergeben, ich
..
Der
Seminarleiter abseits steht auf und unterbricht sie: Das hat sich
damals so ergeben. Sagen Sie mal hören Sie eigentlich zu. Wozu glauben Sie
wohl, daß sie hier sitzen?
Ich denke wir unterbrechen hier erstmal und
ziehen ein Resumeé. Sie sollen hier lernen sich zu bewerben und nicht
wie eine dumme Gans rumzustottern.
Das hat sich so ergeben.
Nichts hat sich ergeben. Das war geplant,
paßte optimal in ihre Ausbildungsplanung und sie haben deshalb genau zu
diesem Zeitpunkt das Kind
bekommen.
Sie müssen vermitteln, daß sie
genau wissen, was sie wollen, ihr Leben im Griff haben und bereit sind alles
Notwendige für die Umsetzung ihrer Ziele zu tun.
Wie lautet unser Wahlspruch? - Herr
Buchner!
Herr Buchner: Ich kriege diesen
Job, denn ich bin besser als alle Anderen. Ich weiß, was ich will.
Seminarleiter: Noch mal Alle!
Alle außer
dem Seminarleiter: Ich kriege diesen Job, denn ich bin besser als alle Anderen.
Ich weiß, was ich will.
Seminarleiter
zur Frau: Haben Sie das jetzt begriffen. Sie müssen endlich erwachsen werden.
Die Verantwortung für sich selbst übernehmen. Nicht so rumsitzen und
warten. Da ist voller körperlicher Einsatz gefordert. Das kennen Sie doch
als Frau. Ja.
Die Frau: Ich wollte doch
nur .. .
Seminarleiter
unterbricht: Sie wollen diesen Job, alles Andere vergessen Sie mal ganz
schnell.
Ich will doch nur Ihr bestes - und das
erwarte ich auch von Ihnen.
Er setzt sich
hin: Was war denn nun alles falsch an diesem Auftritt. Immerhin sind hier
fast alle Fehler gemacht worden, so daß wir alles noch mal durchsprechen
können.
Dieses Bewerbungstraining ist für Sie da.
Ich sitze hier nicht zu meinem
Vergnügen.
Zur Frau an der
Kopfseite: Frau Hagenoth?
Frau Hagenoth: Also erstmal, wenn
man den Raum betritt, muß man immer an den Mann rangehen, und sich nicht
wie ein verschüchtertes Entlein in die Ecke setzen.
Gleich zeigen, daß man weiß,
was man will.
Und dann
Der Seminarleiter hat sich nun hinter
die Frau gestellt, drückt sie mit beiden Händen in den Stuhl, an den
er sich anlehnt.
muß man zeigen, daß man
dafür auch alles zu geben bereit ist.
Der
Seminarleiter: Richtig.
Er drückt
die Frau vor sich an seinen Unterleib und beugt sich über sie: Sie werden das
auch noch lernen. Sie müssen nur selbst noch etwas mehr Einsatz zeigen.
Wir sind jetzt erwachsen, da müssen wir schon mal richtig zugreifen und
nicht auf Papa warten.
Dann zum Seminar
gewandt: Ich denke wir proben noch mal ein persönliches
Einzelbewerbungsgespräch.
Zu Herrn
Buchner: Herr Buchner, würden Sie bitte den Bewerber machen. Die Anderen
setzen sich bitte an die Seite.
Die TeilnehmerInnen rücken die Tische
zusammen und setzen sich an die Seite. Buchner und der Seminarleiter bleiben
frei im Raum stehen.
Seminarleiter: Wichtig ist,
daß Sie als Bewerber von vornherein die Initiative übernehmen.
Buchner: Oh, Sie haben da
einen Fleck auf Ihren Schuh.
Seminarleiter: Nehmen Sie ruhig
irgend einen trivialen Anlaß. Wichtig ist, was Sie daraus machen. Und das
Sie Ihren Chef gar nicht erst Zeit zur Ablehnung geben.
Buchner bückt sich und putzt an dem
einen Schuh des Seminarleiters herum, dann beginnt er an ihm zu lutschen.
Seminarleiter: Denken Sie daran
wenn Sie neu in einer Firma sind müssen Sie immer unten anfangen. Werden Sie erwachsen und
selbständig. Trauen sie sich ihre Schwächen zuzugeben.
Buchner arbeitet
sich langsam weiter.
Seminarleiter: Wer will nicht den
Mächtigen gefallen um selbst reich und mächtig zu werden. Das
heißt aber nicht, das Sie keine eigenständigen Ideen entwickeln
sollten.
Buchner
beißt ihn ganz sanft in die Waden.
Seminarleiter: Sie können
auch ruhig ein bißchen frech sein.
Er beugt sich
herab und krault Buchners Kopf: Sie müssen Arbeit als Gottesdienst
auffassen, Dienst für den Gewinn. Das erfordert ganzen Einsatz. Ein Gott
ist ja auch nicht mit einem Gläubigen, der nur halb bei der Sache ist,
zufrieden.
Buchner arbeitet sich langsam am Bein
des Seminarleiters hoch.
Seminarleiter: Ihre
Kreativität, Ihre Phantasie, Ihre Initiative ist gefragt. Was Sie brauchen
ist eine win-win Situation.
Buchner
öffnet des Hosenschlitz des Seminarleiters.
Seminarleiter: Ja, Sie können
auch ruhig Ihren Chef überraschen, aber von Unten. Vergessen Sie nicht die
Hierarchie, aber lassen sie sich nicht von ihr beherrschen. Ihr Chef wird es
ihnen danken.
Buchner beginnt
den Seminarleiter oral zu befriedigen.
Seminarleiter: Ein Glas Sekt bei
Zeiten kann zum Beispiel Ausdruck der Zufriedenheit Ihres Vorgesetzten sein.
Aber lassen Sie nie nach in Ihrem Bemühen. Und all dies sollten Sie
bereits im Vorstellungsgespräch zur Geltung bringen.
Langsam kommt er
zum Höhepunkt: Kommen Sie, lassen Sie sich ruhig auch mal gehen, zeigen sie
ihrem, Chef das sie Mensch sind, aber auch das sie wissen, was sie wollen.
Das Sie wissen, was Sie wollen -
wollen -
wollen -
wollen -
wollen.
Der
Seminarleiter schiebt Buchner etwas zur Seite; Das war schon recht
gut.
Er greift
Buchner in die Haare und zieht ihn hoch, stellt ihn neben sich: Eigeninitiative
ist gefragt. Nehmen Sie sich Herrn Buchner als Beispiel. werden Sie endlich
erwachsen. Der Chef braucht niemanden, der ihm an den Rockschößen
hängt.
Er klopft auf
den Tisch: Selbständig handelnde Mitarbeiter mit Sinn für das
Ganze und einer gesunden Portion Ehrgeiz. Sie können ruhig mal über
Leichen gehen, daß beeindruckt auch Ihren Chef. Und, wer sich
abschlachten läßt, hat auch in einer Firma nichts mehr zu suchen,
der sollte in Rente gehen. Ist das verstanden?
Er blickt in die Runde: Gut.
Er schließt seinen Hosenschlitz,
rückt die Kleidung zurecht.
Seminarleiter: So, das wäre
auch erledigt. - Natürlich haben wir vielleicht etwas übertrieben
gespielt. Aber ein vollwertiger Mitarbeiter zu werden bedeutet die
Realitäten anzuerkennen. Sie müssen mit den Hierarchien souverän
spielen. Das gilt für Alle im Geschäft - keine unsinnige Angst, keine
Hemmungen aber auch keine Spinnereien - Realismus ist gefragt. Nehmen Sie sich
das als Gedanken mit in die Pause. Wir sehen uns in zweieinhalb Stunden wieder.
Zur Frau: Sie bleiben bitte
noch hier, wir gehen daß Ganze noch mal durch.
Alle außer dem Seminarleiter und
der Frau verlassen den Raum.
Herr Meyer: Auf in die Welt!
Herr Buchner: Aus dem Weg, wer
sich uns in den Weg stellt!
Beide
Männer Arm in Arm beim Abgehen: Wir wollen dienen!
Die anderen schließen sich beim
Hinausgehen den Rufen an, auch von draußen ist noch das; 'Wir wollen
dienen', zu hören.
Der Seminarleiter
zur Frau: So, nun können wir uns ganz Ihnen widmen.
Wir fangen beim Hereinkommen an. -
Körpersprache beachten, ja? -
Machen Sie mal, tun Sie so, als kämen
Sie bei einem potentiellen zukünftigem Arbeitgeber ins Zimmer.
Die Frau klopft
an die Tür und kommt herein. Sie will gerade etwas sagen, da fällt
ihr der Seminarleiter ins Wort; So geht das nicht. Paßen Sie auf.
Er umgreift sie
von hinten und zwingt sie zu einigen Schritten in den Raum hinein;
Sie sind viel zu
verkrampft,
entspannen Sie sich doch mal.
Die Frau: Dann
lassen Sie mich doch mal.
Seminarleiter: Na meine
Güte, wenn Sie so auf Ihren Chef reagieren, wird das aber nie was.
Und außerdem müssen Sie die
Kleidung ändern.
Er drängt
die Frau in die Ecke, beginnt ihre Bluse zu öffnen; Sehen Sie, so mit
den Knöpfen oben offen, sehen Sie doch gleich viel selbstbewußter
aus.
Die Frau: Lassen Sie mich in
Ruhe!
Seminarleiter: Nun bilden Sie
sich mal nichts ein, von Ihnen will doch niemand was, Sie wollen doch was von
mir.
Die Frau versucht aus der Ecke
herauszukommen. Der Seminarleiter hält sie fest.
Seminarleiter: Jetzt regen Sie
sich erst mal ab, da müssen Sie jetzt durch. Immer weglaufen, das bringt
es doch nicht.
Vorher kann ich Sie nicht gehen lassen.
Schließlich sind Sie mir anvertraut.
Und auch in der Firma müssen Sie mit
Kollegen zurecht kommen.
Er schiebt seine Hand in ihre Hose.
Die Frau tritt ihn mit voller Wucht in
die Eier,
dann greift sie eine Schere und sticht
auf ihn ein, bis er sich nicht mehr rührt.
Sie hebt einen seiner Arme, der kraftlos
runterfällt.
Sie wischt sich die Hände an einem
der über den Stühlen hängenden Jacketts ab.
Dann packt sie langsam und ordentlich
ihre Sachen zusammen und geht zur Tür, bleibt einen Augenblick stehen und
kommt zurück, geht zur Tafel. Sie sucht ein Stück Kreide und schreibt
laut lesend, dabei teilweise den Titel des Seminars von einem Zettel ablesend:
Der zweite Teil des Seminars 'fit for fun - Bewerbungstraining für neue
Arbeitswelten' muß heute leider aufgrund des plötzlichen
Dahinscheidens des Dozenten ausfallen - die Sitzung wird nachgeholt.
Die Frau stellt noch einige Stühle
wieder ordentlicher hin, verläßt den Raum und macht das Licht aus.
Schluß
erster Aufzug
Abschluß
Die
Sekretärin erscheint noch mal vorne auf der Bühne.
Die
Sekretärin zum Publikum gewandt: Sie, Sie und Sie zum
Vorstellungsgespräch, - der Rest kann gehen.
Sie geht ab.
Schluß
Theaterstücke als Mittel der Weiterbildung
Impressum: Paula & Karla Irrliche
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Zuletzt aktualisiert 30.10.14
Weiterbildung. fit for fun oder Arbeit macht Spaß - Theaterstück von Annemarie Arndt über; Kapitalismus Leistungsideologie Leistungswahn Leistung Fortbildung Arbeitslosigkeit Gewalt Geschlecht
Theaterstücke als Mittel der Weiterbildung
Weiterbildung und Theaterstücke kommen in der Postmoderne zu einem perversem Kurzschluß.
Im 18ten Jahrhunder und teils auch im 19ten Jahrhundert war das Theater und waren Theaterstücke noch Sinnbild der humanistischen Bildung, das Schreiben von Theaterstücken, das Betrachten von Theaterstücken und die eigene Mitwirkung im Theaterstück war Teil eines sowohl emotionalen als auch intellektuellen Engagement, daß gerade den humanistisch Menschen vom hierarchischen Funktionsträger des Obrigkeitsstaates unterschied.
Das Theaterstück war dabei, sowohl eine Möglichkeit Unbekanntes zuzulassen, als auch eine Möglichkeit der Reflektion des Betrachters/der Betrachterin auf sich selbst. Das Theaterstück bot damit einen doppelten Moment der Befreiung, im Theaterstück konnten, alternative gesellschaftliche Rahmensetzungen ausprobiert werden, und, in der Identifikation mit den ProtagonistInnen konnten, alternative Subjektentwürfe erlebt werden.
Außerdem war das Theater eine Alternativwelt in der Teile der Regeln der Außenwelt nicht galten. Zumindest war es dies in der literarischen Phantasie der AutorInnen von Theaterstücken.
Die Bildung, die in diesem Sinn mit Theaterstücken verknüpft war, steht im Gegensatz zur modernen Weiterbildung im postmodernen Kapitalismus.
Diese Weiterbildung hat mit Bildung nichts zu tun. Weiterbildung ist hier eher als die Außerkraftsdetzung von Bildung aufzufassen.
Geht es bei Bildung darum, Menschen in der Ausformung einer eigenen Subjektivität zu unterstützen, ihnen zu ermöglichen Freiheit und Intellektualität positiv zu erfahren, so geht es bei dieser Weiterbildung gerade darum, durch Weiterbildung die Subjektivität zu schleifen und auszutauschen gegen einen der jeweiligen Nachfrage angepaßten Schein von Individualität.
Weiterbildung dient heute der Marktoptimierung der Weiterzubildenden. Ein eigener Wille oder gar intellektuelle Wünsche und ein Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung sind da nur störend.
Gleichzeitig weiß der geschulte Weiterbildner oder die Weiterbildnerin aber, daß es darum geht die Unterdrückung genehm zu verpacken, und auch diese Aufgabe dem Unterdrückten aufzubürden. Das heißt, Weiterbildung vermittelt heute nicht nur Duckmäusertum, sondern Weiterbildung vermittelt zusätzlich die Fähigkeit dieses Duckmäusertum als selbstbestimmtes Freiheitsglück nach außen zu verkaufen.
Und dieser Punkt führt zur perversen Verknüpfung von Theaterstücken und Weiterbildung in der Postmoderne.
Das Theaterstück, das Theaterspielen, wird in der postmodernen Weiterbildung nicht mehr als Raum der Freiheit genutzt um alternative Subjektivitäten auszuprobieren, bzw. sich zu hinterfragen, sondern die postmoderne Weiterbildung nutzt das Theaterstück gerade als Traininglager für die Formierung eines Subjektes, daß perfekt versteht einen äußeren Schein zu erzeugen, ein Subjekt, daß letztendlich zu diesem Schein wird, nur noch leerer Kern einer austauschbaren Subjekthülle. Die Weiterbildung nutzt das Theaterstück als Beispiel an dem erlernt werden kann, die je gewünschte marktkonforme Subjektivität glaubwürdig zu simulieren, und, der Weiterbildung geht es darüber hinaus darum, das Selbstwertgefühl darauf zu beschränken, diese Simulation optimal auszufüllen.
Die postmoderne Weiterbildung macht aus den Menschen SchauspielerInnen die permanent in einem Theaterstück leben und dazu gebracht werden sich auf diese Weise dem Arbeitsmarkt, dem sie sich für Applaus verkaufen, vollständig auszuliefern.
Kritische Theaterstücke müßten diese Form von Weiterbildung gerade als das Ausstellen, was sie ist, einer perverse Verdrehung des Sinns von Bildung und Theater.
Anna Irrliche, 2008