J.Djuren



Auf dieser Seite finden sich drei Texte zur Kritik von Noam Chomsky:

- Der Text Noam Chomsky, zur politischen Kritik des linguistischen Werks von Noam Chomsky;

- Der Text Noam Chomsky - the Flash Gordon of Anarchism, einen Text, der sich leicht satirisch kritisch mit dem unkritischen Personenkult bzgl. Chomskys in der Linken auseinandersetzt;

- Der Text Deconstructing Noam, der Chomskys Ignoranz gegenüber poststrukturalistischen Theorieabsätzen, die Ursachen und Auswirkungen, thematisiert.

- Außerdem findet Ihr noch unter Geständnisse einer Außerirdischen, eine Satire bzgl. der 'Auswirkungen' der Sprachtheorie Chomskys.





Noam Chomsky

- Der Text als, als pdf, und als odt-Version


Noam Chomsky hat sicher als Antimilitarist viel geleistet. Er hat sich auch zu Zeiten, in denen dies nicht publizitätsträchtig war, deutlich und klar gegen Militarismus geäußert, obwohl auch dies nicht wiederspruchsfrei ist, hat er doch gleichzeitig für dieses Militär gearbeitet (Siehe Text unten auf dieser Seite - Noam Chomsky - the Flash Gordon of Anarchism -). Auch die Textanalysen von Noam Chomsky zur Verwendung von Sprache in englischen Texten der herrschenden Nomenklatura, seine politischen herrschaftskritischen Texte seit den 80er Jahren, sind sicher in einer Reihe von Punkten interessant.

Die Kritik an Noam Chomsky richtet sich hier auf die von ihm entwickelte grundlegende Sprachtheorie, die er primär in den 50er und 60er Jahren formuliert hat. In dieser Theorie von Noam Chomsky, die sein eigentliches wissenschaftliches Werk ausmacht, tauchen aus anarchistischer Sicht gleich mehrere sehr fragwürdige Setzungen auf.


- Noam Chomsky vertritt eine soziobiologistische Sprachtheorie. Das heißt er behauptet, daß die Fähigkeit zum Denken und Sprechen bis hinein in die Struktur des Denkens und Sprechens genetisch bestimmt ist.

Noam Chomsky setzt eine Art Ur-Grammatik als angeboren, als durch Gene bestimmt, voraus. Dabei geht er davon aus, daß dies etwas ist was allen Menschen gleichermaßen angeboren ist, wie die Fähigkeit zu sehen.
Früher hat sich Noam Chomsky klar gegen Hypothesen, die die Entwicklung dieser Fähigkeit darwinistisch erklären wollen, also als Ergebnis von Selektion, gestellt. Seine Theorie war, daß dies als Zufallsprodukt im Kontext der Ausbildung eines komplexen Gehirns entstanden ist. Inzwischen hat er sich aber dem soziobiologistisch-genetischen Trend angeschlossen, und redet auch von Evolution (Siehe Text unten auf dieser Seite - Noam Chomsky - the Flash Gordon of Anarchism -).

Nun können Menschen unterschiedlich gut sehen, und für Soziobiologen ergibt damit die Theorie Chomskys eine Ausgangsbasis für die rassistische-soziobiologistsche Intelligenzforschung, die Menschen auf Grund ihrer Gene unterschiedliche Intelligenz und Sprachfähigkeit zuweist, und darauf aufbauend für hierarchische autoritäre Gesellschaftsmodelle eintritt (Elitendiskurs). Noam Chomsky wird genau in diesem Sinn in solchen Texten auch als Grundlage zitiert. Chomsky hat sich zwar dagegen auf Nachfrage verwahrt, real ist diese rassistische Deutung aber naheliegend. Denn, wenn komplexe soziale Kompetenzen genetisch bestimmt wären, wie von ihm behauptet, ist die Frage; in wie weit auch die Differenzen bzgl. dieser Kompetenzen genetisch bestimmt sind, nur folgerichtig.

Das Problem liegt dabei nicht in der Feststellung, daß Sprachfähigkeit den Menschen angeboren ist (also die Fähigkeit sich komplexe Strukturen der Sprache und des Denkens anzueignen), sondern in der weit darüber hinausgehenden Behauptung von Noam Chomsky, daß eine ganz spezifische Art zu Sprechen und zu Denken den Menschen angeboren ist (also die komplexen Strukturen des Sprechens und Denkens in ihren Grundlagen selbst genetisch festgelegt sind).
Die Aussage Noam Chomskys entspricht der Aussage der Soziobiologie, daß wesentliche Teile der menschlichen Intelligenz genetisch bestimmt wären.
Ich würde immer dagegen die erste Aussage stark machen, daß nur die Fähigkeit Intelligenz zu entwickeln angeboren ist, aber die Intelligenz und Sprache erst im Laufe der Sozialisation entwickelt werden muß.

Dem widerspricht auch nicht, daß bestimmte identische Grundstrukturen in sehr unterschiedlichen Sprachen zu finden sind. Menschen leben nun mal alle in ähnlichen Strukturen, sie bewegen sich in der selben Welt, haben vergleichbare Fähigkeiten und Bedürfnisse. Da ist es nicht wunderlich, wenn Sprachen ähnliche Strukturen aufweisen. Schließlich ist es für Menschen in allen Sprachen wichtig sich über Objekte/Dinge zu verständigen, über Gefühle und Handlungen und dies differenzieren zu können. Das sich in unterschiedlichen nicht verwandte Sprachen vergleichbare Strukturen finden lassen beruht auf ihrer vergleichbaren Funktion in vergleichbaren Verhältnissen. Mit Genetik hat dies nichts zu tun.
Auch bestimmte Werkzeuge wurden mehrfach unabhängig von einander erfunden. Aber deshalb würde wohl niemand behaupten, das es für die Erfindung des Hammers eine genetische Programierung gibt.

Noam Chomskys soziobiologistische sprachtheoretische Annahmen führen direkt in sozialrassistische Elitediskurse, obwohl dies sicher nicht seine Absicht war, und er argumentieren würde, daß für eine solche Verbindung von Genetik und Sprachfähigkeit, bezogen auf die Differenzen der Sprachfähigkeit zwischen unterschiedlichen Menschen, auf Grund der Komplexität der Zusammenhänge, eine wissenschaftlichen Feststellung dieser Zusammenhänge unmöglich sei. Er spricht sich sogar an unterschiedlichen Stellen klar gegen rassistische soziobiologistische Theorien aus.
Seine Theorie legt aber einen solchen Zusammenhang nahe und für die sozialrassistischen Ideologen ist das hinreichend. Außerdem ergibt sich aus der Tatsache, daß bestimmte Menschen die Ur-Grammatik schlechter beherrschen als Andere, falls dies, wie von Noam Chomsky angenommen, genetisch festgelegt wäre, zwangsläufig die sozialrassistische Schlußfolgerung.

In diesem Sinn wird er auch in aktuellen soziobiologistischen Ansätzen aufgegriffen.

So verteidigt Steven Pinker (Pinker, Steven - The Blank Slate: The Modern Denial of Human Nature - Viking - New York, 2002) ausgehend von Noam Chomskys Theorien das Buch "The Bell Curve". In diesem Buch wird die These vertreten das Schwarze genetisch bedingt im Schnitt dümmer sind als weiße US-AmerikanerInnen.
Steven Pinker ist ein früherer Student und heutiger Kollege Noam Chomskys. Steven Pinker gilt als einer wichtigsten Schüler Noam Chomskys und gilt als der wichtigste Wissenschaftler der direkt auf der Sprachtheorie Chomskys aufbaut. Über beide heißt es in einer Kritik ( http://www.jochnowitz.net/Essays/BlankSlate.html) zum genannten Buch von Steven Pinker;
"Chomsky, however, despite his political orientation, shares many ideas with Pinker concerning genetics and evolution."
In der gleichen Buchkritik findet ihr auch Zitate von Steven Pinker in denen er deutlich macht, daß er außer Rassenunterschieden auch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern (sex roles) für genetisch bedingt und den Widerstand dagegen für das eigentliche Problem hält. Außerdem tritt er für die radikal soziobiologistischen Ideen Richard Dawkins ein (der bekannt geworden ist durch das vor allem extrem sexistische Buch "The Selfish Gene").

Und auch die rechten Intellektuellenzirkel um George Bush sind angetan von Noam Chomskys Sprachtheorie. So schreibt Paul H. Rubin über Noam Chomsky:
"It is interesting that Noam Chomsky, one of the most virulent critics of modern American society, as a scientist provided the basis for one of the major attacks on the liberal world view. Chomsky showed that there is a biological basis for language acquisition. Pinker and Bloom (1992) discuss his efforts to show that this biological basis was not evolutionary. Of course, this effort is doomed."
(Rubin, Paul H. - The Assault on the First Amendment: Public Choice and Political Correctness - in: the CATO JOURNAL - Vol. 14 No. 1 - Internet: http://www.cato.org/pubs/journal/cj14n1-3.html)

Ich würde, im Gegensatz zu den Thesen Noam Chomskys, stark machen, daß Menschen sich, bis in die Tiefenstrukturen des Denkens und Sprechens hinein, Denken und Sprechen je nach kulturellem, sozialem und individuellem Hintergrund in unterschiedlicher Weise aneignen und insofern von einer Ur-Grammatik zu reden keinen Sinn macht.
Dem entsprechen auch die Ergebnisse der modernen linguistischen Empirie des interkulturellen Vergleichs. Falls ich dabei auch, für die Mehrheit der EuropäerInnen und US-AmerikanerInnen ungewöhnlichere, indigene Sprachen einbeziehe wird sehr schnell klar, daß Noam Chomskys Ur-Grammatik nicht sehr weit führt.
Die soziobiologistischen RassistInnen stört dies natürlich nicht, jede Empirie läßt sich zu Recht biegen.


- Dies führt aber zu einem weiteren Problem der Sprachtheorie von Noam Chomsky. Sie ist auch durch Ignoranz gegenüber Sprachen und Denken von (insbesondere indigenen) Kulturen, die im hegemonialen Bild 'zivilisierter' Kulturen nicht vorkommen, bestimmt.
Noam Chomsky hat seine Sprachtheorie an Hand der heutigen englischen Sprache und zum Teil am Herbräischen entwickelt. Insbesondere für modernes Englisch, wie es im hegemonialen Sprachgebrauch Verwendung findet (von literarisch-experimentellen Praxen, feministischer Kritik u.a. findet sich bei ihm natürlich nichts), hat Noam Chomsky grundlegende Strukturen aufgezeigt. Dies ist seine eigentliche wissenschaftlich-analytische Leistung.
Das Problem liegt in der Überdehnung, darin, daß Noam Chomsky beansprucht, daß diese Strukturen überzeitliche, absolute und überkulturelle Gültigkeit besitzen. Damit reduziert er die Funktionsweise aller Sprachen weltweit auf die Funktionsweise einiger weniger Sprachen der hegemonialen Kulturen.

In Deutschland ist dies inzwischen zumindest unter einem Teil der LinguistInnen zu einer Lachnummer geworden, da die von Noam Chomsky herausgearbeiteten Strukturen bereits für diese nahe mit dem Englischem verwandte Sprache nicht funktionieren.
Als geflügeltes Wort wird in diesem Zusammenhang von deutschen LinguistInnen dann ironisch ein Zitat von Noam Chomsky aus einem linguistischen Vortragveranstaltung zitiert,
"Let's take any language, let's take english."

In anderen Teilen der Welt hat dies aber sehr viel katastrophalere Auswirkungen. Da hier die von Noam Chomsky an Hand des modernen Englisch entwickelten Strukturen als Maßstab für andere Sprachen benutzt werden.
Seine Sprachtheorie wird damit teilweise zu einem Werkzeug imperialistischer Machtausübung.

So wird den Aborigenes unter anderen unter Rekurs auf die Sprachtheorie Noam Chomskys unterstellt ihre Kultur sei in einem primitiven Stadium stehengeblieben, da Sprache und Denken der Aborigenes viele der Strukturen (z.B. Rechnen), die Noam Chomsky als grundlegend und genetisch bedingt annimmt, nicht besitzt.
Das die Aborigenes-Kultur statt dessen andere Strukturen entwickelt hat, eine Art Verwandschaftsbeziehungsdenken mit der Umwelt, daß sich auch als eine Art Vektormathematik auffassen läßt, wird nicht gesehen, da solche Strukturen nicht als reale gleichwertige begriffen werden, sondern als Zeichen der Primitivität und Unterentwicklung.
Dies geschieht mit Bezug auf Noam Chomsky und spielt z.B. in der Landrechtsfrage in Australien eine nicht unbedeutende Rolle.
Dabei geht es in der Landrechtsfrage darum, ob es in der Aborigenes-Kultur eine rationale Zuordnung von klar definierten Gebieten mit Personen gegeben hat (also eine Art Besitztitel), und damit um die Frage, ob das Verwandtschaftsbeziehungsdenken eine rationale Zuordnung darstellt. Unter Rekurs auf Noam Chomsky wird bestritten, daß das Denken der Aborigenes überhaupt als rationales Denken zu begreifen ist, und auf diese Weise begründet, daß keine traditionellen Rechte auf bestimmte Gebiete in Australien bestehen.
(Verran, Helen - Logics and Mathematics: Challenges Arising in Working across Cultures - in: Selin, Helaine [Ed.] - Mathematics across Cultures - Dordrecht 2000)

Das heißt wenn Sprachen hierarchisiert werden, in eine Abfolge primitiver und entwickelter Sprachen, mit den entsprechenden Schlußfolgerungen für die Wertigkeit der Kulturen und Menschen und ihres Denkens, dann ist die Sprachtheorie Noam Chomskys hierfür eine der Ausgangstheorien. Das bürgerliche weiße hegemoniale anglo-amerikanische männliche Subjekt und seine Sprache wird unter Verweis auf seine Sprachtheorie als absoluter Maßstab der entwickelten Sprache gesetzt.

Auch hier ist zu anzumerken, daß dies nicht das ist, was Noam Chomsky will, er hat explizit in einem Interview darauf verwiesen das;
"One finds something similar in the case of so-called primitive cultures. What you find very often is that certain intellectual systems have been constructed of considerable intricacy, with specialized experts who know all about it and other people who don't quite understand and so on. For example, kinship systems are elaborated to enormous complexity. Many anthropologists have tried to show that this has some functional utility in the society. But one function may just be intellectual. It's a kind of mathematics. These are areas where you can use your intelligence to create complex and intricate systems and elaborate their properties pretty much the way we do mathematics. They don't have mathematics and technology; they have other systems of cultural richness and complexity."
(Chomsky Noam - What the World is Really Like: Who Knows It and Why - in: The Chomsky Reader - 1983 - Internet: http://www.chomsky.info/books/reader02.htm)

Nur sind Wollen und Tun etwas unterschiedliches. Und durch den ausufernden Anspruch seiner Theorie, dadurch das Noam Chomsky seine Ur-Grammatik als überzeitlich, überkulturell und unabhängig von sozialen Differenzierungen gültig postuliert, ist seine Sprachtheorie eine kulturimperialistische Theorie, da es nun mal Sprachen gibt auf die sie nicht zutrifft.


- Ein dritter Kritikpunkt an der Sprachtheorie Noam Chomskys ist die Abwertung literarischer experimenteller Sprache. Da er die Grundstrukturen der Sprache im Genom verortet wird jede Infragestellung grundlegender Strukturen für ihn zu einem reinem Überbauphänomen, das an der Realität nichts ändert.
Da Sprache aber grundlegend mit spezifischen Formen von Herrschaft, z.B. einer spezifischen (männlichen) Form des Denkens des Subjektes, verbunden ist, ist eine Revolution der menschlichen Beziehungen dann auch nicht mehr möglich. Deshalb haben französische SprachtheoretikerInnen, bzw. in Frankreich arbeitende, wie z.B. Julia Kristeva, Ende der 60er bis Anfang der 70er Jahre versucht Ansätze einer revolutionären Ästhetik zu entwickeln (Kristeva, Julia - Revolution der poetischen Sprache - Frankfurt a.M. 1978). Sie bauten dabei auf auf der Literatur der Moderne (James Joyce / ..) und fragten nach ihrer Wirkung auf das Subjekt.
Gleichzeitig haben AutorInnen, wie z.B. Monique Wittig, versucht Sprache in diesem Sinn produktiv zu machen.
Für die linke Theorie und Praxis war dies von erheblicher Bedeutung als Teil der Zersetzung der traditionellen Identitätsraster (Rasse / Geschlecht / Sexualität / ..).

Noam Chomskys reiht sich hier in die Reihe traditioneller Linker in den USA ein (am bekanntesten ist hier sicher Alan Sokal), die dieses Projekt als utopische Spinnerei und schlimmeres diffamieren und damit ins gleiche Horn tuten wie die konservative us-amerikanische Rechte.

Explizit hat sich Noam Chomsky z.B. wie folgt geäußert (es gibt weitere derartige Ausfälle):
"French intellectual life has, in my opinion, been turned into something cheap and meretricious by the 'star'system. It is something like Hollywood. Thus we go from one absurdity to another - Stalinism, existenzialism, structuralism, Lacan, Derrida - some of the obscene (Stalinism), some simply infantile and ridiculous (Lacan and Derrida). What is striking, however, is the pomposity and self-importance, at each stage."
(Chomsky, Noam - Language and politics - Black Rose Books - Montreal 1988)

Er vertritt damit offensiv die Position der konservativen us-amerikanischen Rechten im kulturellen Bereich, für die Stalinismus, Existenzialismus (Jean-Paul Satre / Simone de Beauvoir) und die zum Poststrukturalismus führenden Theorien (Jacques Derrida / Jacques Lacan) alle das zu verwerfende, kranke, abstruse verkörpern, obwohl es sich hier um völlig unterschiedliche Theorien, literarische Praxen und politische Sichtweisen handelt. Eine klare Argumentation bleibt Noam Chomsky inhaltlich auch an anderer Stelle schuldig. Er weigert sich schlichtweg diese Theorien zu begreifen und unterstellt ihnen deshalb, daß sie nichtssagend sein müssen.
(Chomsky, Noam - Noam Chomsky on Postmodernism - Internet: http://www.mrbauld.com/chomsky1.html)

Deutlich wird seine Weigerung z.B. bei seinem Bezug auf Michel Foucault.

Ein zentraler Punkt der Theorien von Michel Foucault ist der Wandel der Beziehungen von Macht und Subjekt. Für Michel Foucault gibt es kein der Macht vorhergehendes Subjekt. Das heißt, daß das Subjekt, die/der einzelne Mensch in ihrer/seiner Subjektivität, in und durch die gesellschaftlichen Machtverhältnisse überhaupt erst in der Moderne entsteht. Das bedeutet aber, ich kann das Subjekt nicht losgelöst von diesen Machtverhältnissen denken. Es gibt kein gutes oder böses oder wie auch immer geartetes Subjekt, daß dann durch die Machtverhältnisse überformt wird, sondern daß Subjekt ensteht aus diesen Machtverhältnissen heraus. Damit kann ich dann aber die in den Machtverhältnissen zum Ausdruck kommenden Herrschaftsverhältnisse nicht mehr als dem Subjekt äußerlich gegenüberstehende begreifen. Sie sind von vornherein in das Subjekt eingeschrieben. Um die Herrschaftsverhältnisse anzugreifen muß das Subjekt selbst umgeschrieben werden, bzw. sich selbst umschreiben.
Dieser Analyseansatz war und ist sehr hilfreich um Unterdrückungsverhältnisse wie Rassismus und Sexismus zu begreifen. Diese Herrschaftsverhältnisse hören halt nicht einfach auf zu existieren, wenn ich die Gesetzeslage ändere. Sexismus wird z.B. alltäglich durch die einzelnen reproduziert, da Menschen ihr Subjektivität auf ihrer Geschlechtsidentität aufbauen. Um diese Herrschaftsverhältnisse zu verändern bedarf es anderer Methoden als der Politikformen zur Veränderung von Gesetzen.
Um zu begreifen wie der Zusammenhang von Herrschaft und Subjektgenese funktioniert haben unter anderen diverse feministische Autorinnen kritisch auf die psychoanalytische Theorie (Jaques Lacan, u.a.) bezug genommen. Diese Texte, z.B. Julia Kristeva, Luce Irigaray und Monique Wittig hatten auch einen sehr wichtigen Einfluß auf die feministische und lesbische Praxis politischer AktivistInnen.
Ihre feministischen Nachfolgerinnen, die sich wiederum kritisch auf diese Autorinnen u.a. beziehen, haben bis heute immer wieder wichtige Impulse für die feministische und antirassistische Politik gegeben, z.B. Judith Butler, Donna Haraway, Gayatri Chakravorty Spivak, Trin T. Minha, u.a..

Im Text "Noam Chomsky about Postmodernism" unterstellt Noam Chomsky Michel Foucault, daß der zentrale Punkt seiner Theorie wäre, "that there has been a great change from harsh mechanisms of repression to more subtle mechanisms by wich people come to do what the powerfull want, even enthuisiastically." Um dann abwertend festzustellen, daß dies doch altbekannt ist.
Da Noam Chomsky sich ausführlich mit Michel Foucault unterhalten und auseinandergesetzt hat, kann ich nicht anders als ihm hier entweder vollständige arogante Ignoranz oder Böswilligkeit zu unterstellen. Denn dies, was Noam Chomsky hier als Position Michel Foucaults ausweist, ist halt genau nicht die Position von Michel Foucault, da im Denken Michel Foucaults die Gegenüberstellung des Subjektes und der Repression heute keinen Sinn mehr macht. Das Subjekt ist mit Michel Foucault selbst Teil der die Machtverhältnisse reproduzierenden Verhältnisse.

Ich halte diese Analyse von Michel Foucault für bestimmte Teile der Herrschaftsverhältnisse für sehr erhellend. Gleichzeitig würde ich aber anmerken, daß die traditionelle Analyse von Herrschaftsverhältnissen als Repressionsverhältnissen auch weiter wichtig ist.
So sind Herrschaftsverhältnisse wie Rassismus und Sexismus in Europa oder den USA heute denke ich eher durch Machtverhältnisse im Sinne Michel Foucaults bestimmt, also in die Subjekte eingeschrieben. Für die Analyse der Welthandelsbeziehungen ist hingegen nach wie vor die traditionelle Analyse von Repressionsverhältnissen im Sinne Noam Chomskys (also seiner politischen herrschaftskritischen Texte) sinnvoll, bei der einer Gruppe durch einer anderen etwas durch direkten äußeren Zwang oder Ausnutzung von Machtverhältnissen (z.B. Medienmonopol) aufgedrückt wird.
Ich halte insofern beide Analyseansätze den traditionellen linken Repressionsansatz und den poststrukturalistischen für wichtig.
Außerdem müssen sie zusammengedacht werden, da z.B. die Welthandelsbeziehungen durch Rassismus legitimiert werden und durch ihre gesellschaftlichen Auswirkungen zur Reproduktion rassistischer Subjekte beitragen. Das heißt die repressiven Machtverhältnisse (also die Machtverhältnisse, die Subjekte gegen ihre Interessen zu bestimmten Handlungen bringen, durch Zwang oder Kontrolle der öffentlichen Meinung u.a.) und die produktiven Machtverhältnisse (also die Machtverhältnisse, die rassistische oder sexistische Subjekte produzieren, z.B. durch die Produktion spezifischer Geschlechtsidentitäten) sind miteinander verschränkt.

Eine kritische anarchistische Linke braucht beide Analyseansätze.

Noam Chomsky führt im genannten Text "Noam Chomsky about Postmodernism" weiter aus, daß eine Theorie einfach und klar verständlich formuliert sein müßte. Dabei ist das sprachtheoretische Werk von Noam Chomsky alles andere als einfach verständlich. Er argumentiert damit ähnlich rechtspopulistisch wie Alan Sokal. Der auch die Unverständlichkeit unter anderen von Jacques Lacan postuliert.
Nun habe ich sowohl psychoanalytische Theorie (Jacques Lacan) als auch Physik studiert (also die Fachrichtung Alan Sokals). Die Theorien Jacques Lacans, Julia Kristevas, Luce Irigarays oder Jacques Derridas sind durchaus nicht komplizierter als die Albert Einsteins. Weder Derrida, noch Kristeva, noch Irigaray, noch Lacan, noch Einstein, noch Chomsky (zumindest seine Sprachtheorie) ist ohne Anstrengung zu verstehen. Niemand würde aber Albert Einstein oder Noam Chomsky deshalb als nicht-ernstzunehmend diffamieren, wie dies Noam Chomsky und Alan Sokal mit Jacques Lacan, Julia Kristev, Luce Irigaraya und Jacques Derrida u.a. tun.

Mich erinnert diese Argumentation Noam Chomskys, die sich ähnlich bei Alan Sokal findet, an einen Artikel, der mir vor Jahren bei einer Analyse der Nationalzeitung (NPD-Nahe) untergekommen ist. In diesem Artikel war eine Laut-Gedicht von Ernst Jandl abgedruckt, aus Sicht der Nationalzeitung als Beispiel für die 'Entartung'. Der Sinn des antimilitaristischen Gedichts ergab sich aus der Lautfolge und das Gedicht war wirklich gut, die Zeitung verließ sich bei ihrer Diffamierung von Ernst Jandl darauf, daß ihre LeserInnen schon nicht ernsthaft versuchen würden das Gedicht tatsächlich laut zu lesen.
In ähnlicher Weise verlassen sich traditionelle Linke in den USA bei ihrem Intellektuellen-Bashing darauf, daß ihre LeserInnen schon nicht ernsthaft anfangen werden, sich mit den kritisierten Texten von z.B. Jacques Lacan, Julia Kristeva, Luce Irigaray, Jacques Derrida, Michel Foucault u.a. auseinanderzusetzen. Sie verlassen sich darauf, daß ihre LeserInnen die Mühe scheuen werden, denn ähnlich wie bei den komplexen Arbeiten zur Physik von Albert Einstein, oder der Sprachtheorie Noam Chomskys, kann eine differenzierte Auseinandersetzung schon mal 1 Jahr und mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Ähnlich wie Ernst Jandl arbeiten ein Teil der postrukturalistischen TheoretikerInnen bewußt mit literarischen Textpraxen. Z.B. in dem Begriffe bewußt gegen ihre ursprüngliche Bedeutung gewendet werden. Dadurch werden Subtexte, die unbewußt in Begriffen mit enthalten sind im Widerspruch zu ihrer oberflächlichen Bedeutung, aufgedeckt.
Texte, die nur das bedeuten, was sie an der Oberfläche vorgeben zu bedeuten, existieren nicht. Jeder noch so banale Text hat eine Tiefenstruktur, z.B. in dem er vielleicht das Denken in einer binären Geschlechterdifferenz strukturell reproduziert, oder in dem er z.B. die Ideologie des autonomen, außerhalb der Welt stehenden (männlichen), Subjekts voraussetzt.
Ideologieproduktion ist hier Noam Chomsky vorzuwerfen, der so tut, als würde die Struktur seiner Texte keine Ideologie transportieren, der so tut als gäbe es eine politisch neutrale Sprache. Texte transportieren aber unabhängig vom oberflächlichem Inhalt immer auch in der und durch die Struktur der genutzten Sprache, Vorstellungen über das Subjekt und ihr/sein Verhältnis zur Welt, und Texte reproduzieren oder unterminieren dadurch unabhängig vom Inhalt Herrschaftsverhältnisse, z.B. die binäre Geschlechterordnung.

Auffallend am Zitat von Noam Chomsky über das "'star'system" ist auch die Unfähigkeit zur Selbstreflektion, die auch für Alan Sokal typisch ist, denn Noam Chomsky ist ja nun unzweifelhaft selbst Teil des "'star'system", daß er hier kritisiert, halt nur nicht des französischen sondern des anglo-amerikanischen "'star'system".
Dieses "'star'system" ist sicher kritikwürdig, nur sind weder Noam Chomsky, noch Jacques Lacan, noch Julia Kristeva, Luce Irigaray oder Jacques Derrida "infantile and ridicuoulos", sondern sie sind alle für das Denken der Moderne zentral. Deshalb ist eine Kritik ihrer Denkansätze und Theorien wichtig, die nach den Auswirkungen der Theorien fragt, und keine billige Polemik.
Im Unterschied zur Sprachtheorie Noam Chomskys, die primär für rechte soziobiologistische Theoretiker und die kapitalistische Vernutzung in der Computerlinguistik produktiv waren, haben sich aber die Theorien Jacques Derridas, Julia Kristevas, Luce Irigarays und Jacques Lacans ausgesprochen produktiv für die linke Theorie und Praxis, z.B. im Feminismus, erwiesen.

Die Theorien von Jacques Lacan (Psychoanlytischer Theoretiker, der von seiner Bedeutung für die Psychoanalyse oft mit Sigmund Freud verglichen wird), Julia Kristeva (Psychoanalytikerin / Sprachtheoretikerin / Philosophin), Luce Irigaray (feministische psychoanalytische Theoretikerin / Philosophin) und Jacques Derrida (Sprachtheoretiker / Philosoph) waren wichtige Ausgangspunkte für die linken radikalen sprachtheoretischen Ansätze der 60er und 70er Jahre, die heute die Grundlage z.B. der Queeransätze ausmachen und grundlegend für die feministische Theorie und Praxis sind. Aufbauend auf und zum Teil durch einen kritischen Aufgriff dieser Theorien wurde auch die poststrukturalistische Kritik am hegemonialen weißen männlichen kapitalistischen bürgerlichen Subjekt formuliert.
Auf diese Theorien bezieht sich eben auch z.B. die innerfeministische Kritik an der Wirkung der weißen Dominanz im Feminismus, wie sie von der schon genannten Gayatri Chakravorty Spivak u.a. formuliert wird.

Von Noam Chomsky wäre zu wünschen, daß er diese Theorien als das anerkennt, was sie sind, eine Bereicherung linker Kritik. Ich sehe im Haß Noam Chomskys auf diese Theorien seine reaktionäre Sprachtheorie durchscheinen. Denn als linke (linksradikale) Alternative zu Ansätzen wie der Sprachtheorie Chomsky's wurde ein Teil der poststrukturalistischen Theorien einmal ursprünglich als poststrukturalistische Sprachtheorien in den 60er Jahren entwickelt.

Von den politischen Aussagen her ist dieser Angriff auf die poststrukturalistische Theorie nicht zu verstehen. In vielen Punkten, z.B. der Ablehnung des Militarismus und der militärischen Interventionspolitik (Judith Butler, u.a.) und der Kritik an der Darstellung von Krieg in den Medien (Jean Baudrillard, u.a.) sind sich PoststrukturalistInnen mit Noam Chomsky einig und agieren öffentlich auch so. Nur formulieren sie dies anders, was in den USA offensichtlich teilweise dazu führt, daß sie nicht verstanden werden (Jean Baudrillard).
Denn als Baudrillard sagte, "Der Golfkrieg hat nicht stattgefunden" (bezogen auf den ersten Golfkrieg), hat er damit sehr zugespitzt aber treffend darauf verwiesen, daß der in Europa in den Medien präsentierte Krieg kein realer war, sondern eine virtuelle Fiktion, der reale Golfkrieg fand in Europa in den Mainstream-Medien keine Repräsentation, er fand dort nicht statt. In der Linken der USA wurde ihm darauf hin unterstellt, er wolle die Opfer des Golfkrieges leugnen.

Genauso wie in der traditionellen Linken gibt es natürlich auch in der posstrukturalistischen Linken TheoretikerInnen, die ihre Position nach rechts verschoben haben, dazu gehört leider auch Julia Kristeva, deren frühe Texte (60er und frühe 70er Jahre) zu dem Besten gehören was poststrukturalistische Theorie hervorgebracht hat.
Und auch ein Theoretiker wie Jean Baudrillard ist in einer Reihe Punkten zu kritisieren, aber andere Stellen sind hochinteressant.
Diese TheoretikerInnen für ihre falschen Aussagen zu kritisieren ist sicher angebracht, nur heißt dies nicht, daß die gesamte Theorie Mist ist.


- Mein letzter, aber der für mich wichtigste, Kritikpunkt an der Sprachtheorie Noam Chomskys ist ihre Materialisierung in der Computersoftware.

Die von Noam Chomsky definierten Sprachstrukturen dienen heute als eine Grundlage für Spracherkennung.

Da die Tendenz ist, daß sich die NutzerInnen ihrem Computer anpassen, ist zu befürchten, daß zukünftig die Menschen auch ihre sprachliche Ausdrucksfähigkeit und damit auch Teile ihres Denkens diesen Programmstrukturen anpassen werden. Dies würde zu einer radikalen Verarmung der sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten und damit des Denkens führen, da ja alles, was dieser Sprach-Gesetzgebung nicht entspricht, nicht mehr computerverständlich ausgedrückt werden könnte. Eine Folge wäre vermutlich die Beunfähigung von Teilen zukünftiger Generationen zum literarischen Denken, sich literarisch auszudrücken oder dies zu verstehen. Damit wären die Theorien Noam Chomskys ein Anfang einer totalitären Gleichschaltung der Strukturen des Denkens und des sprachlichen Ausdrucks.
Noam Chomsky ist damit ein Wissenschaftler, der an dem beteiligt ist, was Jean Baudrillard "Das perfekte Verbrechen" genannt hat. Ein Verbrechen, daß seine eigenen Spuren tilgt, da Menschen, die nicht mehr literarisch denken und sich auch nicht mehr literarisch ausdrücken und dies auch nicht verstehen können, auch nicht mehr in der Lage sind diesen Verlust überhaupt wahrzunehmen.

Ausgehend davon wie Noam Chomsky mit poststrukturalistischen AutorInnen und Texten umgeht, scheint er schon heute das literarische Begreifen verlernt zu haben.

Es steht aber zu hoffen, daß seine Sprachtheorie so falsch ist, daß sie auch hier nicht funktionieren wird.


Ich sage nicht, daß die reaktionäre, sexistisch und rassistische Nutzung seiner Sprachtheorie das ist, was Noam Chomsky wollte/will, es ist aber das, was seine Sprachtheorie zur Folge hat und nicht zufällig.
Und zumindest die letzten beiden Kritikpunkte wurden von ihm aktiv betrieben.

Zentrale Teile der Berühmtheit von Noam Chomsky basieren auf dieser reaktionären Sprachtheorie, es ist höchst seltsam wenn AnarchistInnen einen solchen Wissenschaftler unkritisch feiern.

Für mich ergibt sich für Noam Chomsky ein ähnliches Problem wie bei einigen anderen alterslinken Berühmtheiten wie z.B Andrej Sacharow (Einer der wichtigsten Wissenschaftler bei der Entwicklung der sowjetischen Wasserstoffbombe, später Regimekritiker und Friedensnobelpreisträger).
Auch AnarchistInnen neigen dazu sich an den Wertungen der hegemonialen Kultur zu orientieren. Menschen wie Andrej Sacharow oder Noam Chomsky haben vor allem durch ihre Mittäterschaft im herrschenden System in jungen Jahren Karriere gemacht, wenn sie diese Position dann später genutzt haben bzw. nutzen um politisch sinnvolle und gute Dinge zu vertreten ist dies zu begrüßen (natürlich ist eine solche Entwicklung gut), sie aber deshalb abzufeiern finde ich falsch. Und noch fragwürdiger finde ich, wenn ihnen, auch von anarchistischer Seite, auf Grund, ihrer durch Mittäterschaft erlangten, herausgehobenen gesellschaftlichen Stellung eine besondere Autorität zugesprochen wird.
Dies heißt nämlich nichts anderes als die Übernahme der Wertung der hegemonialen kapitalistischen (oder im Fall Sacharow bürokratisch totalitären) Kultur und die Reproduktion ihrer Werte.

Ich finde, Menschen, die kontinuierlich für anarchistische Ideen gearbeitet haben und dementsprechend keine Karriere gemacht haben, sind mir näher.
Wobei ich es grundsätzlich auch in solchen Fällen dumm finde Personenkult zu treiben, da ich Personenkult an sich falsch finde. Aber in solchen Fällen, z.B. Emma Goldmann, kann ich es zumindest begreifen, weil diese Menschen zum Teil dem Anarchismus und den Menschen unglaublich viel gegeben haben (Emma Goldmann hat ihr Leben lang prekäre Verhältnisse in Kauf genommen für ihre politischen Ziele. Prekäre Lebensverhältnisse finde ich nicht anstrebenswert, aber unter den herrschenden Bedingungen ist dies bei klarer anarchistischer Positionierung kaum zu vermeiden.).

Und zum Schluß, ein letztes mal, um Mißverständnisse wirklich auszuschließen: Die Texte zur Kritik politischer Herrschaftsverhältnisse, die Noam Chomsky seit den 80er Jahren geschrieben hat, sind zumindest teilweise sicher lesenswert. Auf diese Texte bezieht sich diese Kritik explizit nicht.
Diese Texte werden auch von den selben rechten Konservativen in den USA, die Noam Chomskys Sprachtheorie abfeiern, scharf kritisiert.





Auf dieser Seite finden sich zwei weitere Texte zur Kritik von Noam Chomsky:

- Der Text Noam Chomsky - the Flash Gordon of Anarchism, einen Text, der sich leicht satirisch kritisch mit dem unkritischen Personenkult bzgl. Chomskys in der Linken auseinandersetzt;

- Der Text Deconstructing Noam, der Chomskys Ignoranz gegenüber poststrukturalistischen Theorieabsätzen, die Ursachen und Auswirkungen, thematisiert.

- Außerdem findet Ihr noch unter Geständnisse einer Außerirdischen, eine Satire bzgl. der 'Auswirkungen' der Sprachtheorie Chomskys.





Wider die Anpassung an Herrschaftsverhältnisse - J.Djuren


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Impressum: Paula & Karla Irrliche
















Noam Chomsky - the Flash Gordon of Anarchism

- Der Text als, als pdf, und als odt-Version


Flash Chomsky im Kampf gegen den Imperator George W. Ming

Der Hype um Noam Chomsky ist unter zwei Gesichtspunkten interessant.


Erstens, unter der Frage, was diese Verherrlichung Noam Chomskys, eines linksliberalen im kapitalistischen System bestens integrierten Großvaters, über die libidinösen Bedürfnisse von AnarchistInnen aussagt?


Und zweitens, mit welcher Doppelmoral und welchen Verschleierungstaktiken auch AnarchistInnen die Fragwürdigkeiten und Fehler ihrer SuperheldInnen, Noam Chomsky ist hier nur ein aktuelles Beispiel, unter den Teppich kehren?



Zur ersten Frage wäre erst einmal zu sehen, daß Noam Chomsky hier in einer Reihe mit anderen Großvätern der Friedens- und Freiheitsbewegungen steht, Andrei Sacharow u.a., könnten hier genauso genannt werden.
Hier geht es nicht darum Noam Chomsky oder den anderen Genannten abzusprechen, daß sie real Positives zu politisch emanzipativen Bewegungen beigetragen haben, sondern es geht um die Frage, wie kommt es zur Institutionalisierung solcher alten Männer (und es sind in der Regel ALTE MÄNNER, keine Frauen und keine jüngeren politisch Aktiven) als Autoritäten. Denn ausgehend von realen Beiträgen und realem persönlichem Einsatz gibt es Abertausende, die mehr beigetragen und mehr riskiert haben, aber meist namenslos bleiben.

Noam Chomsky ist hier nur ein typisches Beispiel unter anderen.

Typisch ist bei ihm z.B., daß er zuerst eine konventionell reaktionäre Karriere als Linguist gemacht hat, als (Mitbe)Gründer einer Linguistik, die sich explizit gegen die linguistischen Ansätze (Poststrukturalismus) positioniert, die in Europa (insbesondere in Frankreich) ein wichtiger Ausgangspunkt für die emanzipativen Bewegungen in den 60er Jahren waren (z.B. Roland Barth, Julia Kristeva). Die Linguistik Noam Chomskys ist eine Fortsetzung der bürgerlichen Tradierungen in der Linguistik gegen die revolutionären Tendenzen in der Linguistik des 20ten Jahrhunderts. Dies war der Grundstein der Berühmtheit von Noam Chomsky und der Grund für das hohe internationale Ansehen, das Noam Chomsky gerade auch von konservativen und Rechten entgegengebracht wurde und wird.
Erst darauf aufbauend wurde Noam Chomsky dann zum Superheld der Linken mit seiner populär bis populistisch formulierten Medien- und Intellektuellenkritik.

Hier wird am Beispiel Noam Chomsky gleich ein ganzes Bündel an Fragwürdigkeiten zum Umgang von AnarchistInnen mit ihren modernen SuperheldInnen deutlich.

Auch AnarchistInnen lassen sich scheinbar, wie das Beispiel Noam Chomsky zeigt, durch eine Karriere in der konventionellen reaktionären Hierarchie beeindrucken. An sich müßte dies umgekehrt sein. JedeR AnarchistIn müßte an sich eine solche konventionelle Karriere suspekt sein und eine Vielzahl an Fragen aufwerfen, z.B. nach MittäterInnenschaft im System. Karriere gibt es im Kapitalismus nicht umsonst und Karriere macht im Regelfall niemand (Zu jeder Regel gibt es Ausnahmen) auf Grund gesellschaftlich sinnvoller Leistungen, sondern eine Karriere sagt etwas aus über die Nützlichkeit desjenigen bzw. derjenigen für das kapitalistische System und die Aufrechterhaltung von Herrschaftsverhältnissen. Eine kritische Hinterfragung von Noam Chomsky in diesem Sinn hat aber bisher nicht stattgefunden.

Dies weist darauf, daß ein nicht unerheblicher Teil der Linken und auch der AnarchistInnen selbst sehr widersprüchlich agiert und empfindet, bei einigen scheint das linke Engagement eng verknüpft mit Erfahrungen der Zurücksetzung durch die Gesellschaft, die politisch sublimiert werden. Hier agieren Menschen also links auf Grund der Enttäuschung und Zurückweisung durch die Gesellschaft. Dies wäre als Ausgangspunkt kritischer Analyse und des Begreifens von Machtverhältnissen, und damit als Ausgangspunkt der Befreiung vom Wunsch nach Anerkennung durch die konservative Gesellschaft, und damit als Ausgangspunkt einer sozialrevolutionären Perspektive, ja nicht zu kritisieren. Zum Problem wird es aber, wenn diese Analyse und dieses Begreifen unterbleibt, und das linke Engagement letztendlich primär darauf ausgerichtet ist, über diesen Umweg doch noch die Anerkennung der konservativen Gesellschaft zu erlangen. Dann wird diese 'Linke' selbst zu einer mächtigen Kraft der Restauration.
Sobald sich eine Chance dafür eröffnet diese konservative gesellschaftliche Annerkennung doch noch zu bekommen und im gesellschaftlich konservativen Mainstream aufgenommen zu werden laufen solche 'Linken' natürlich zum reaktionären Teil des BürgerInnentums über. In den letzten 20 Jahren war genau diese Entwicklung bei vielen Mitgliedern und PolitikerInnen der Partei der Grünen zu beobachten.

Der unkritische Umgang mit Großvätern wie Noam Chomsky weist darauf hin, daß auch heute in der aktuellen Linken, an sich viele eine bürgerlich reaktionäre Karriere bevorzugen würden und ihr linkes Engagement für sie nur eine Warteschleife darstellt. Denn die Identifikation, die sich explizit auf, in der bürgerlich reaktionären Hierarchie hochstehende, Vorbilder wie Noam Chomsky richtet, basiert ja gerade darauf, daß offensichtlich viele Linke sich nach der reaktionären bürgerlichen Anerkennung sehnen, für die Noam Chomsky halt auch steht.
Und als anarchistischer UND bürgerlicher Übervater, also als großer Anderer im Sinne der psychoanalytischen Theorie, als bürgerliche UND anarchistische Autorität, erteilt Noam Chomsky durch sein Wohlwollen schon heute die ersehnte konservativ bürgerliche Anerkennung für 'Linke'.

Dazu paßt das Moralisieren von Noam Chomsky. Noam Chomsky stellt gerade nicht die Systemfrage, Noam Chomsky stellt nicht die bestehenden Strukturen grundsätzlich in Frage, sondern Noam Chomsky sieht das Problem in der moralischen Korruption der Herrschenden in den USA. Statt die Involviertheit der Menschen in die Systeme der Aufrechterhaltung von Herrschaftsverhältnissen zu analysieren, stellt Noam Chomsky die Guten und die Bösen einander gegenüber auf. Dies verfehlt aber die realen komplexen Verhältnisse und führte historisch zu gefährlichen Fehlleistungen Noam Chomskys, z.B. der Unterstützung der Rotem Kmer (Der Feind meines Feindes muß in dieser Schwarz-Weiß-Logik ein Freund sein) und blendet außerdem die eigene Mittäterschaft und den eigenen Nutzen aus Herrschaftsverhältnissen, als Mitglied der weißen bürgerlichen US-Mittelkasse, aus.
Letztendlich bietet Noam Chomsky damit all denen, die nicht wirklich mit den Verhältnissen brechen wollen, einen bequemen Ausweg, die bürgerliche Karriere mit gutem Gewissen. Wichtig ist hier nicht mehr, wie das eigene Handeln in die Reproduktion komplexer Herrschaftsverhältnisse einfließt, sondern das moralisch gute Statement am Feierabend.


Flash Chomsky rettet Dale Arden aus den
Fängen des Imperators George W. Ming



Die zweite Frage zu Doppelmoral und Verschleierungstaktiken will ich hier an zwei Beispielen aus der Theorie und Praxis von Noam Chomsky darstellen.
Das erste Beispiel bezieht sich auf die rechten Ideologeme in der Theorie Noam Chomskys. Das zweite Beispiel auf Noam Chomskys Inkonsistenz im Handeln.


1) In einer Auseinandersetzung von Noam Chomsky mit dem Evolutionsbiologen John Maynard Smith in The New York Review of Books im Jahr 1995 [1] verwahrt sich Noam Chomsky explizit dagegen, ihm zu unterstellen, er würde gegen eine zumindest teilweise Herleitung komplexer Sprachfähigkeit auf genetische Grundlagen sprechen. Noam Chomsky spricht sich hier explizit für die Annahme aus, komplexe Sprachfähigkeit wäre teilweise, sowohl individuell wie gattungsgeschichtlich, genetisch bedingt.
Da komplexe Sprachfähigkeiten nicht zu trennen sind von Intelligenz, heißt dies, Noam Chomsky behauptet, Intelligenz wäre zumindest teilweise genetisch bestimmt. Dieser genetische Rassismus, dem hier von Noam Chomsky das Wort geredet wird, ist aber die ideologische Grundlage der meisten modernen rassistischen und faschistischen Ideologien. Über den genetischen Rassismus werden z.B. autoritäre Elitemodelle legitimiert.

Dies funktioniert, obwohl die moderne ethnologische und soziologische Forschung zeigt, daß es sich bei dieser Behauptung um reine Ideologie handelt, da alle komplexen menschlichen Fähigkeiten sich als kulturell bestimmt erweisen. Und das heißt auch entsprechend unbestimmt sind, daß heißt es gibt weder DIE Sprachfähigkeit, noch DIE Intelligenz.

In der anarchistischen Rezeption von Noam Chomsky wird entweder, dieser rechte ideologische soziobiologistische Ballast der Sprachtheorie von Noam Chomsky unkritisch übernommen, oder, er wird schlichtweg geleugnet unter Verweis darauf, daß Noam Chomsky doch kein Rechtsradikaler sei und das deshalb so gar nicht meinen würde. Und außerdem würde Noam Chomsky dies nur gattungsgeschichtlich meinen. Nur dies bedingt immer auch die individuell genetische Unterscheidung.

Das Problem liegt dabei nicht in der trivialen Feststellung, das Menschen biologisch Sprachfähigkeit besitzen, sondern in der sehr viel weitergehenden Behauptung von Noam Chomsky, das KOMPLEXE Sprachfähigkeit genetisch determiniert ist.

Sicher Noam Chomsky ist kein Rechtsradikaler, aber genau so wie einige AnarchistInnen zutiefst sexistisch sein können und trotzdem ansonsten durchaus AnarchistInnen ist halt auch Noam Chomsky nicht widerspruchsfrei und steht gleichzeitig für rechte Ideologie und linke Analyse.
Das Problem ist, daß Noam Chomsky auch in der Linken gerade auf Grund seiner angesehenen Stellung auch innerhalb der kapitalistischen Wissenschaftshierarchie angehimmelt wird, dabei basiert dieses Ansehen auch von konservativer Seite nicht unwesentlich darauf, daß Noam Chomsky eben teils auch extrem rechte Ideologen bedient.

Das Problem ist nicht, daß Noam Chomsky deshalb in Bausch und Bogen verdammt werden müßte, nur eine anarchistische Rezeption müßte diese Widersprüche deutlich herausstellen.

Das Linke Noam Chomsky unkritisch feiern, obwohl sie gleichzeitig bei anderen AutorInnen, den von ihm mit zu verantwortenden, modernen soziobiologistisch-genetischen Rassismus kritisieren, ist geradezu klassische Doppelmoral und Verdrängung. Der Gute Großvater Noam Chomsky muß halt um jeden Preis gerettet werden.


2) Ein anderes Beispiel für die Doppelmoral der Linken Im 'Fall Noam Chomsky' betrifft Noam Chomskys Umgang mit dem Militär in den 60er Jahren und das Nichtverhalten der Linken dazu.
Noam Chomskys linguistische Forschung am MIT in den 60er Jahren wurde zu 100% vom Militär finanziert. Noam Chomsky hält dies für völlig harmlos, da daß Militär ja gar kein Interesse an den Ergebnissen seiner Forschung gehabt hätte. Während der Zeit der Finanzierung durch das Militär war das Institut nach Noam Chomsky, eine viel "offenere und liberalere" Einrichtung als heute.[2]
Dieses Argument habe ich schon x-fach von Wissenschaftlern gehört/gelesen, deren Forschung vom Militär finanziert wird. Unter anderen von einem Professor der zu Schnell-Fahrenden-Kettenfahrzeugen forschte.
Und antimilitaristische Initiativen an vielen Universitäten im Bundesgebiet mußten sich immer wieder mit dieser Art Schwachsinnsargumentation auseinandersetzen, um den Stopp von Rüstungsforschung zu erreichen. Es ist hochgradig verlogen, wenn heute 'Linke' genau dieses Argument, daß sie zu Recht Jahrzehnte bekämpft haben, im Fall 'Noam Chomsky' auf einmal gelten lassen.

Sicher die Forschung von Noam Chomsky war Grundlagenforschung, aber sie war hochinteressant für die Effizienzsteigerung in der Computerprogrammierung und wurde dafür auch genutzt und dürfte heute in nicht eben wenige militärische Anwendungen eingeflossen sein. Das Ziel des Militärs bei der Finanzierung von Grundlagenforschung ist eben frühzeitig eine Richtung im Sinne des Militärs vorgeben zu können. Dazu müssen aber interessante GrundlagenforscherInnen in die wissenschaftlich-technologisch-militärische Wissensproduktion eingebunden werden. Der militärische Nutzen ergibt sich eben aus dieser Synergie, nicht Noam Chomsky direkt hat Militärtechnik produziert, aber er hat KollegInnen ermöglich effizientere Militärtechnologie zu entwickeln. Dafür wurde Noam Chomsky vom Militär bezahlt. Und seine Zusammenarbeit mit InformatikerInnen hat Noam Chomsky nach eigenen Aussagen viel Spaß gemacht.

Dies steht im krassen Widerspruch zur Selbststilisierung Noam Chomskys als widerspruchfreier Friedensheld.

Das militärisch finanzierte MIT war für Noam Chomsky aber eine der ganz wenigen, wenn nicht sogar die einzige, Möglichkeit ohne wissenschaftlichen Abschluß Karriere zu machen.

Viele Menschen machen Kompromisse, die ihren Aussagen widersprechen, Noam Chomsky hat sich eher durchschnittlich normal verhalten. Noam Chomsky hat das übliche Maß moralischer Korruption, daß in der Regel in dieser Gesellschaft von Allen erwartet wird, die Karriere machen wollen, an den Tag gelegt.

Von den ihn verehrenden AnarchistInnen wird dies einfach ignoriert. Das dummdreiste Argument Noam Chomskys, daß Militär hätte sich ja gar nicht für die Ergebnisse seiner Forschung interessiert, und damit die klassische Ausrede aller MilitärforscherInnen, wird gar noch legitimiert. Die gleichen Verhaltensweise, die eigene Forschung vom Militär finanzieren zu lassen, die an der eigenen Universität bekämpft wird, ist im Fall Noam Chomskys auf ein mal bedeutungslos.
Das wird gemeinhin Doppelmoral genannt.



Noch mal die Widersprüchlichkeiten im Handeln von Noam Chomsky sind nicht ungewöhnlich und kein Grund ihn zu verdammen. Einen Noam Chomsky Schrein aufzustellen und dort hinzupilgern und Noam Chomsky für unfehlbar zu sprechen, wie dies sinnbildlich zur Zeit geschieht, basiert aber im hohen Maß auf einer Lüge mit der sich AnarchistInnen zuerst selbst betrügen und dann auch das Risiko eingehen Menschen ins ideologisch rechte Abseits zu führen oder zu frustrieren, wenn die Menschen diese Ideologeme unkritisch übernehmen bzw. diese Kritikpunkte entdecken.

Und auf gütige großväterliche Autoritäten oder SuperheldInnen sollten AnarchistInnen nicht nur nicht angewiesen sein, sondern diese als Relikt einer autoritär bürgerlichen Sozialisation kritisieren.


J. Djuren
Hannover 2007





Auf dieser Seite finden sich zwei weitere Texte zur Kritik von Noam Chomsky:

- Der Text Noam Chomsky, zur politischen Kritik des linguistischen Werks von Noam Chomsky;

- Der Text Deconstructing Noam, der Chomskys Ignoranz gegenüber poststrukturalistischen Theorieabsätzen, die Ursachen und Auswirkungen, thematisiert.

- Außerdem findet Ihr noch unter Geständnisse einer Außerirdischen, eine Satire bzgl. der 'Auswirkungen' der Sprachtheorie Chomskys.





Wider die Anpassung an Herrschaftsverhältnisse - J.Djuren


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- Fußnote 1 - Zurück zum Text
John Maynard Smith - Genes, Memes, & Minds - in: The New York Review of Books - Volume 42, Number 19 - November 30, 1995 - http://www.nybooks.com/articles/1703 -
Noam Chomsky - Language and Evolution - in: The New York Review of Books - Volume 43, Number 2 - February 1, 1996 - http://www.nybooks.com/articles/1643 -
Siehe auch: Noam Chomsky - Biolinguistics and the Human Capacity - Delivered at MTA, Budapest - May 17, 2004 - http://www.chomsky.info/talks/20040517.htm -
Und welche Form reaktionärer Weltanschauung dies generiert, bis hin zu einer genetisch begründeten Variante der Kritik von Kunst als entartet, ist gut zu sehen in der Buchkritik von George Jochnowitz zu Steven Pinkers Buch The Blank Slate: The Modern Denial of Human Nature;

"I was particularly delighted by the chapter of the book entitled "The Arts." I have always felt that the Western music composed between 1600 and 1904 is the best music in the world, appreciated by people of any and every background who have a chance to listen to it and get to know it. When I go to concerts, I often have to listen to a 20th-century or even 21st-century work. Critics and programmers think they have to teach the audience to love modern music. Some difficult composers, those who wrote serial music, for example, are hardly modern; they composed almost a century ago. If the world prefers Weber to Webern, for example, we shouldn't have to listen to Webern until we love his music. We should recognize that Weber is simply better, as are Vivaldi, Verdi, and other 18th and 19th-century composers. I respect Pinker for having the courage and originality to say that he doesn't like having modern artistic creations forced on him.

Pinker blames the Blank Slate for his - and my - problem with 20th-century classical music: "Modernism and postmodernism cling to a theory of perception that was rejected long ago: that the sense organs present the brain with a tableau of colors and sounds and that everything else in perceptual experience is a learned social construction" (412)."

George Jochnowitz
[Anm. J.Djuren: Dem Autor wäre zu empfehlen sich z.B. indische oder agfhanische Musik anzuhören, für die müßte dann ja das selbe gelten, dem ist aber nicht so. Andere Kulturen haben andere Formen Musik, die dort als schön empfunden wird.]

George Jochnowitz - Buchkritik The Blank Slate: The Modern Denial of Human Nature - Internetpublikation - New York - 2006 - A different version of this review appeared in Jewish Currents, July-August, 2003 - http://www.jochnowitz.net/Essays/BlankSlate.html -

- Fußnote 2 - Zurück zum Text
Willi Winkler - Interview - Noam Chomsky: Mitbegründer "Nicht in unserem Namen" - Süddeutsche Zeitung - 01.10.2002 - http://www.litart.ch/chomsky.htm -































Deconstructing Noam

- Der Text als, als pdf, und als odt-Version

- Arm ist die politische Bewegung, die Helden braucht -

'Du mußt auch Alles kritisieren', ist ein Vorwurf, den ich häufiger zu hören bekomme. Kritik ist für mich aber nicht Ausdruck von Pessimismus sondern im Gegenteil, sie ist Ausdruck eines utopischen Optimismus. Ich glaube daran, daß es möglich ist, die positiven Aspekte einer Theorie zu nutzen ohne ihre negativen Aspekte in Kauf zu nehmen. Ich suche nach Haaren in der Suppe, um sie zu entfernen und die Suppe ohne Haare zu genießen. Laßt also die Rosinen in den Himmel wachsen.
Im Fall von Noam Chomsky ist es dabei nicht nur ein Haar in der Suppe, richtiger wäre von einem Toupet zu sprechen, das dort in der Suppe schwimmt. Und Chomsky steht mit Halbglatze dar (der Kayser ohne Toupet - damit will ich aber keine Menschen mit Haarproblemen diskriminieren -).
Woraus besteht nun dieses Toupet? Ich will zuerst einige ältere Kritikpunkte ansprechen.


Chomsky und das Pentagon

Chomsky kritisiert an unterschiedlichen Stellen, daß Mitläufertum und das mangelnde Rückrat seiner KollegInnen in den USA, insbesondere bezogen auf ihre Haltung zum Militarismus. Zu Recht, nur wie sieht dies bei Noam Chomsky aus. Nach eigenen Angaben hat Noam Chomsky in den 60er Jahren an einem Institut gearbeitet, daß zu 100% vom Pentagon finanziert wurde1. Er war also in der Rüstungsforschung beschäftigt. Dies war für ihn, ohne einen den formalen Kriterien genügenden Lebenslauf, die einzige Karrieremöglichkeit. Individuell ist diese Handlung verständlich, tatsächlich unterscheidet er sich damit aber nicht von seinen heutigen KollegInnen. Chomsky selbst führt legitimierend an, das seine linguistische Forschung als Grundlagenforschung für das Militär ja völlig wertlos war und er nie wieder so viel Freiräume, wie in dieser Zeit, gehabt hätte. Ein Standardargument, daß wohl alle, die jemals mit universitären RüstungsforscherInnen diskutiert haben, zu Genüge kennen. Real hat Noam Chomsky in dieser Zeit wesentliche Grundlagen zur Entwicklung moderner Computersprachen beigetragen. Dafür wird er bis heute vielfältig gelobt und er selbst betont, wie viel Spaß ihm die interdisziplinäre Zusammenarbeit gemacht hat. Dies ist aber eindeutig rüstungsrelevant und findet sich bis heute in der Informatisierung der Militärtechnologie wieder. Auch das Hammerargument (Ich habe nur einen Hammer gebaut, daß der dann verwendet wurde um Menschen zu erschlagen, war ja nicht meine Intention) gilt in diesem Fall nicht, hat Chomsky doch den Hammer wissentlich im Auftrag des Militärs gebaut.
Das erste Haarbüschel in der Suppe stellt für mich die Doppelmoral Chomskys dar.


Chomsky die Khmer Rouge, Holocaustleugnung und die Nationalzeitung

Dies ist aber nicht das einzige Haarbüschel. An anderer Stelle in dieser Zeitung wurde von Alfred Schober bereits Chomkys Umgang mit rechter Ideologie kritisiert. Chomsky hat unter anderem den Holocaustleugner Faurisson gegen Repression in Schutz genommen. Er unterschrieb eine Petition für die Redefreiheit Faurissons. Sein Rekurs auf Voltaire und die Redefreiheit, die auch für politische GegnerInnen gelten muß, kann ich nachvollziehen und teile sie. Sich aber hier zu solidarisieren und sich nicht gleichzeitig deutlich von den Inhalten zu distanzieren ist untragbar. Chomsky hat damit Faschisten eine vielfältig instrumentalisierbare Aussage an die Hand gegeben. Natürlich äußert sich Chomsky zum Holocaust klar und deutlich an anderer Stelle, aber eben nicht in der Solidaritätserklärung. Und sich dann in der nachfolgenden Diskussion formalistisch darauf herauszureden, er wolle die Inhalte Faurissons nicht beurteilen2, ist bezogen auf die Holocaustleugnung schlichtweg abstrus. Auch die Diffamierung seiner KritikerInnen als stalinistisch deutet nicht auf Lernfähigkeit. Chomsky verhält sich borniert und ignorant, unfähig Schlußfolgerungen aus einer in Teilen berechtigten Kritik zu ziehen. Auch sein unkritischer Umgang mit Aufgriffen seiner Schriften in der Nationalzeitung ist für einen Medienkritiker borniert und ignorant.
Ganz ähnlich ist sein Umgang mit den Fehlern zu werten, die ihm in der Einschätzung des Pol-Pot-Regimes unterlaufen sind, bis 1977 hat Chomsky noch die Massenmorde relativiert
3, geblendet von einer simplifizierenden antikapitalistischen Sicht. Auch dieser simplifizierende Antikapitalismus findet sich bis heute in seinen Schriften.
Das zweite Haarbüschel, Noam Chomsky ist unfähig Fehler zuzugeben und auf Kritik einzugehen. KritikerInnen werden als Stalinisten, Ignoranten und Neocons diffamiert.


Grundprobleme des Theorieansatzes von Noam Chomsky

Aber kommen wir zur Rückseite des Toupets, daß da in der Suppe schwimmt. Der Text in der letzten Ausgabe der graswurzelrevolution liest sich auf den ersten Blick sympathisch, Chomsky leistet eine gute Zusammenfassung klassischer anarchistischer Sichtweisen und ihres Zusammenhangs mit Kapitalismuskritik.
Nur, dies sind Positionierungen von Anfang des Jahrhunderts, gab es seit dem keine Kritik an diesen Theorien? War da nicht was, Frauenbewegung, Schwulen- und Lesbenbewegung, Antirassismus und eine Kritik der These von Haupt- und Nebenwidersprüchen. Chomsky vertritt durch Auslassung auch in diesem Text von Ende der 60er Jahre, also in einer Zeit in der die Fragen von Feminismus, Sexismus und Rassismus überall in der Linken massiv thematisiert wurden, eine ökonomistisch verkürzte Theorie. Und dies ist kein Zufall. Chomsky vertritt auch an anderer Stelle die Haupt- und Nebenwiderspruchsthese. Das heißt er behauptet, daß es einen Hauptwiderspruch, die Klassenstruktur gibt, und die anderen Unterdrückungsverhältnisse dem gegenüber sekundär wären
4. Seine Begründung, daß die Besitzverhältnisse das Zentrum von Herrschaft ausmachen ist die klassisch leninistisch naive Position und z.B. durch ethnologisches Wissen hinreichend wiederlegt (Gesellschaften, die keinen Privatbesitz aber patriarchale Herrschaftsstrukturen kennen). Inzwischen sollte klar sein, daß es den Hauptwiderspruch nicht gibt, sondern daß die Stabilität der Herrschaftsverhältnisse gerade auf dem Zusammenwirken unterschiedlich begründeter Herrschaftsverhältnisse (Sexismus, Rassismus, Kapitalismus, ..) und ihrer gegenseitigen Durchdringung beruht. Bei Chomsky ist dies bis heute offensichtlich nicht angekommen.

Dies ist kein Zufall. Um zu verstehen wieso Chomsky derartig verkürzt ökonomistisch argumentiert ist es notwendig seine Sprachtheorie zu betrachten.

Chomskys linguistische wissenschaftliche Arbeiten sind daß, was seinen Ruhm international wesentlich ausmacht. Vergleichbar Sacharow (der als sowjetischer "Vater" der Wasserstoffbombe) aufbauend auf seiner wissenschaftlichen Reputation zum Regimekritiker wurde, hat auch Chomsky seine Reputation durch wissenschaftliche Arbeiten erlangt, die aus politischer Sicht durchaus fragwürdig erscheinen. Seine Reputation basiert auf der Entwicklung einer Linguistik, die auch von konservativer Seite auf Grund ihres inhärenten Biologismus gefeiert wird. Chomskys linguistische Arbeiten gelten vielen rassistischen und sexistischen Soziobiologen als Legitimation ihrer Theorien, da Chomsky von einer genetischen Veranlagung der Sprache ausgeht. Ich habe an anderer Stelle dieses Problem ausgiebig diskutiert und verweise hier nur darauf
5, die Meinungen über die politische Einschätzung der linguistischen Arbeiten Chomskys gehen weit auseinander. Andere würden mir sicher widersprechen. Dies zu diskutieren ist hier nicht der Raum.

Es gibt aber noch einen anderen Punkt, weshalb es wichtig ist, diesen Hintergrund von Chomskys Denken zu betrachten. Die von Chomsky in den 50er und 60er Jahren entwickelte Linguistik steht von ihrem Fundament her (der Frage wie Subjektivität, freier Wille usw. begriffen wird) in einem unvereinbaren Widerspruch zu den in den 60er und 70er Jahren in Frankreich entwickelten Theorien (Barthes, Lacan, Derrida, Kristeva, Irigaray, Baudrillard, ..). Diese Theorien begreifen das Subjekt und das Subjekt der Sprache den Machtverhältnissen und der Sprache nicht als vorgängig. Das Subjekt, ihr/sein Begehren, ihre/seine Wünsche, wird nach diesen Theorien durch die Machtverhältnisse und die Sprache produziert, während Chomsky das Subjekt klassisch humanistisch biologistisch den als äußerlich gedachten Machtverhältnissen gegenüber als vorgängig ansieht.
Nun sind es gerade diese poststrukturalistischen Theorieansätze gewesen, die bis heute sich als extrem produktiv zum Begreifen der nicht ökonomisch zu fassenden Herrschaftsverhältnisse (Sexismus, Rassismus) erwiesen haben. TheoretikerInnen wie Spivak, Butler, Haraway und Foucault sind ohne diese Denktradition nicht vorstellbar. Das heißt Rassismus und Sexismus funktionieren gerade nicht primär über äußerliche Repression sondern über die Strukturierung der Subjekte selbst und ihrer Anschauung von sich und dem/der Anderen.
Da diese Theorie seine Linguistik und damit sein Lebenswerk substantiell bedrohen, hat Chomsky jede konstruktive Auseinandersetzung verweigert. Seine Bezüge auf diese Theorien beschränken sich weitgehend auf Diffamierung und (rechts)populistisches Intellektuellenbashing.
6
"French intellectual life has, in my opinion, been turned into something cheap and meretricious by the 'star'system. It is something like Hollywood. Thus we go from one absurdity to another - Stalinism, existenzialism, structuralism, Lacan, Derrida - some of the obscene (Stalinism), some simply infantile and ridiculous (Lacan and Derrida). What is striking, however, is the pomposity and self-importance, at each stage."
7
Dadurch das Chomsky sich stringent jeglicher Auseinandersetzung mit diesen Theorien verweigert, ist es fast zwangsläufig, daß er Verfechter der Haupt und Nebenwiderspruchsthesen bleibt.

Ich spreche hier nicht gegen einen Aufgriff der Theorien Noam Chomskys. Um ökonomische Herrschaftsverhältnisse zu begreifen, die in vielen Theorien zu wenig Berücksichtigung finden (z.B. in vielen poststrukturalistischen Theorien) ist für AnarchistInnen Chomsky sicher eine gute Quelle, z.B. der Text in der letzten graswurzelrevolution. Um diese Theorie produktiv zu verwenden ist es aber notwendig das Toupet aus der Suppe zu entfernen, daß heißt sie sind ergänzungsbedürftig und hier sind wiederum für Herrschaftsverhältnisse wie Sexismus und Rassismus gerade die von Chomsky geschmähten poststrukturalistischen Theorien hilfreich. Die Lösung heißt nicht Chomsky oder Poststrukturalismus sondern Chomsky und Poststrukturalismus. Denn beide Theorietraditionen haben ihre blinden Flecke. Aus beiden Traditionen sollten wir uns die Rosinen herauspicken.

Mir ging es hier nicht um ein pauschales Chomskybashing sondern um die Einforderung einer kritischen Rezeption und die Dekonstruktion des Mythos Chomskys als Flash Gordon of Anarchism.


Jörg Djuren (Poststrukturalistische Guerilla Nord)

Der Text wurde in der graswurzelrevolution Nr. 335 - Münster - Januar 2009 - publiziert.





Auf dieser Seite finden sich zwei weitere Texte zur Kritik von Noam Chomsky:

- Der Text Noam Chomsky, zur politischen Kritik des linguistischen Werks von Noam Chomsky;

- Der Text Noam Chomsky - the Flash Gordon of Anarchism, einen Text, der sich leicht satirisch kritisch mit dem unkritischen Personenkult bzgl. Chomskys in der Linken auseinandersetzt;

- Außerdem findet Ihr noch unter Geständnisse einer Außerirdischen, eine Satire bzgl. der 'Auswirkungen' der Sprachtheorie Chomskys.







Wider die Anpassung an Herrschaftsverhältnisse - J.Djuren


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Impressum: Paula & Karla Irrliche















1 Willi Winkler - Interview - Noam Chomsky: Mitbegründer "Nicht in unserem Namen" - Süddeutsche Zeitung - 01.10.2002 - http://www.litart.ch/chomsky.htm
2 Chomsky, Noam - Some Elementary Comments on The Rights of Freedom of Expression - Appeared as a Preface to Robert Faurisson, Mémoire en défense - October 11, 1980 - http://www.chomsky.info/articles/19801011.htm
Chomsky, Noam - The Faurisson Affair - Letter to Lawrence K. Kolodney - ca. 1989-1991 - http://www.chomsky.info/letters/1989----.htm
3 Chomsky, Noam & Herman, Edward S. - Distortions at Fourth Hand - The Nation - June 6, 1977 - http://www.chomsky.info/articles/19770625.htm
4 Chomsky, Noam - Class - January 21, 1993 - in: Keeping the Rabble in Line. Interviews with David Barsamian - http://books.zcommunications.org/chomsky/rab/rab-4.html
5 Djuren, Jörg - Noam Chomsky - Internetpublikation 2007 - http://irrliche.org/politische_kritik/noam_chomsky.htm
6 Chomsky, Noam - Noam Chomsky on Postmodernism - http://www.mrbauld.com/chomsky1.html
7 Chomsky, Noam - Language and politics - Black Rose Books - Montreal, 1988








Zuletzt aktualisiert 30.10.14





Noam Chomsky. Kritik der Sprachtheorie von Noam Chomsky und ihrer soziobiologistischen Annahmen, Linguistik, Sprache, Englisch, Aborigenes, Soziobiologie, Rassismus, Imperialismus, Subjekt, Poststrukturalismus, Jaques derrida, Julia Kristeva, Jacques Lacan, Anarchie, Anarchismus, Feminismus


Oh, Noam Chomsky,
Weiser der Du bist in USA.

Dein Reich komme, oh Noam Chomsky.
Dein Wille Noam, geschähe,
wie in den USA so in Germany.
Noam Chomsky, hallelulja.

Alle lieben Chomsky!